Studien besagen, dass rund 90% unserer Sorgen nie eintreten, ergo unbegründet sind. Aber sag das mal meinem Kopf. Wenn man jetzt nicht so persönlich und hautnah dabei ist, klingt es ja fast lustig, schräg. Aber nächtens (also bei mir schon früher – „alte Omi-Syndrom“), wenn wir im Bett liegen und die Synapsen springen vor lauter Freude (oder so ähnlich), ist es schwierig sie zu stoppen. Doch der Profi weiß Rat und hat 1.235.984 verschiedene Arten zu entspannen entwickelt. Und ich hab´ sie gefühlt ALLE „durch“.
Da wären, die Entspannungstees. Erstmals die Zubereitung, oftmals zwischen 10-15 Minuten ziehen lassen. Gut, jetzt kann man munkeln, dass ich ohnehin schon wach bin. Abgesehen von der Wartezeit, werde ich jetzt auch noch aggressiv, so lange wie das dauert! Denn nach Einhalten der vorgeschriebenen Zieh-Zeit, muss ich ja noch warten, bis das Zeug kalt wird, sodass ich es mir in meinen bis dahin richtig munteren und richtig verärgerten Körper gießen kann. Abgesehen davon, darf ich ergänzen, dass ich im Anschluss an die Trinkorgie, auch noch gefühlte 1.000x pipi muss (Omis haben eine kleine Blase, ist so). Frage: Wie soll ich einschlafen, wenn ich dauernd aufs Klo muss?
Dann wären da noch die kleinen Baldrian-Perlchen. Diese kleinen süßen Pill´chen, bei denen ich immer verwirrt bin, wie viele man davon eigentlich einwerfen soll, damit man schlafen kann. Ich vermute ja, dass diese nicht zur Einnahme gedacht sind, sondern für kreative Arbeiten wie Perlenknüpfen, bis man vor Langeweile ins Koma fällt. Schlafen kann ich auch noch nicht, aber ich bin weniger aggressiv von der therapeutischen Knüpfarbeit.
Weiter, dann wären da noch diverse Entspannungstechniken. In der Praxis bedeutet das, dass ich mir vorsage, wie endlos entspannt diverse Körperteile sind. Uuuur entspannt. Wer erfindet so etwas? Ich muss mich da ja total konzentrieren, damit ich kein Körperteil vergesse, welches angeblich so entspannt ist. Will ja niemanden mobben oder ausschließen aus diesem wundervollen Prozess. Am besten funktioniert dies, mit einem Buch des Körpers, so kann man nebenbei abhaken, wer schon dran war. Ich fasse nochmals zusammen, ich soll mich konzentrieren und fokussieren, damit ich entspanne?!? Hmm, klingelt da was? Hallooooooo, das passt nicht zusammen!
Lichttherapie, schon mal probiert? Wem geht da nicht das Herz auf und die Augen zu, wenn verschiedene Lichtimpulse vor meinen drei Augen/Sehbehelfen (nein, nichts Falsches denken, auch ich habe zwei, aaaber ich bin für den ganzheitlichen Ansatz, also auch noch mein 3. Auge, zwischen den anderen beiden) herumflackern? Ging mir mit 16 ja nicht anders in der Disco. Bei all dem Licht, verfiel ich schon immer in komatösen Schlaf. Bullshit, echt.
Weiter im Text: geführte Entspannungsreisen. Erstmals möchte ich festhalten, ich kann es gar nicht leiden geführt zu werden. Außerdem klingelt bei mir meine Mama, die sagte: „Nicht mit fremden mitgehen!“ Tatsächlich bietet sich eine breite Auswahl an, an, nun nennen wir es Hintergrundgeräuschen. Hier meine persönlichen Highlights: Meeresrauschen und/oder Regengeräusch. Der Einfachheit halber verweise ich hier auf die Entspannungstees. Wasser zu Wasser usw.. Dann wäre da noch Vogelgezwitscher. Ja, wer kennt das nicht, wenn früh morgens (im Normalfall) die Vögel zwitschern? Genau das ist der geeignete Zeitpunkt um zu entspannen und weiterzuschlafen, oder? Denkt sich da irgendjemand etwas dabei? Gleich gefolgt von Waal- oder Delphinrufen. Wer bin ich? Aquaman? Ergänzend werden all diese famosen Hintergrundgeräusche (die mich ja schon völlig aus der Mitte bringen), durch eine_n Sprecher_innen Stimme, die uns mitnimmt auf seinen oder ihren persönlichen HÖLLENTRIPP ;-)). Leck die Banane. Wie viel Kraut muss ich einwerfen, damit mich das zur Ruhe bringt? „Du atmest tief ein und aus und gehst immer tiefer in dich rein!“. Wer will das? Ne, ne, ne, ne, ne.
Entspannungsdüfte – auch probiert. Erst letzthin war ich neue total entspannende Düfte kaufen. Und ich habe mich erkundigt, also nicht nur „blindlinks“ gekauft. Empfohlen wurde mir ein Duft, der genau dafür entwickelt wurde. Er sollte riechen, wie ein Besuch in der Kirche. Meine erste Gegenfrage: „Wer war gerade in der Kirche?“ Vermutlich war das nicht gemeint, gut ich war da ja länger nicht, aber ich kann mich nicht erinnern, dass dort so viele am Chillen oder Entspannen waren. Wer kann auch auf so ner Holzlatte knien und dahin dösen? Dennoch, ich ließ mich überzeugen, was Verzweiflung alles bewirken kann? Ehrlich, das roch wie ein überwuzelter (also alter) Käseraclette-Furz, der bereits länger in einer Sakristei eingesperrt wurde. Natürlich sind wir alle unterschiedlich und es kann ja durchaus sein, dass jemand davon total entspannt, ich in jedem Fall – nicht.
Ihr merkt ja sicher selbst, es wird eng es mit den Optionen. Mir sind noch folgende Dinge eingefallen: Entspannungsbäder – da verweise ich wieder auf Aquaman. Spaziergänge – ich habe meine Ortschaft bereits gefühlte 17-mal durch und alles, was es gebracht hat ist, dass ich viele neue Freundschaften geschlossen habe, ungewollt und unerfreulich. Kerzenschein – wenn ich pyromanische Züge hätte, eventuell. So bleibt mir hier auch die Angst im Rachen stecken, dass zu meiner Schlaflosigkeit auch noch ne abgefackelte Bude hinzukommt.
Klar gibt es dann noch den Weg hinein in die Pharmaindustrie. Oder wie ich sage: Aus 1 mach 2. Vielfach freut man sich dann noch über ein zweites, zu bewältigendes Thema in seinem Leben und die Tatsache, dem Entzug. Und alles was ich davor in Entspannungstees und Co investiert habe, investiere ich dann in Gruppenabende mit anderen betroffenen Abhängigen. Falls ich es noch nicht gesagt habe, ein Hoch auf die Pharmaindustrie.
Letztlich, und ich denke, dass schließt hier an, da es dem Prinzip „2 in 1“ folgt: viel Flüssigkeit die lustig macht, genannt Alkohol. Oder Hanf-Rauchzeichen setzten und/oder ab in den Wald zum Pilze sammeln. Bäm, oder wie eine Freundin immer zu sagen pflegt: „a ringa ding ding“. Leute, da hab ich es dann doch lieber mit dem Mittelalter – Holznarkose und zappenduster.