Es gibt da ne super leerreiche Geschichte aus meinem Leben. Doofer weise ist sie eher für die Generation, die noch Telefonzellen erlebt hat. Also ein älterer Jahrgang. Die, die ich meine, ordnen sich zeitlich irgendwo zwischen der ersten E-Mail, die versendet wurde, und der Erfindung des Internets ein. Also alles weit nach den Dinosauriern, puh, ich bin doch noch nicht so alt. Naja, vielleicht doch. In jedem Fall waren das die Telefonzellen, die noch ne Tür hatten, also nicht diese „Klapphanseln“, wo der Po immer zwischen den Flügeltüren eingezwickt wurde. Je nachdem, wo sie stand und wann sie zuletzt gereinigt wurde, stank es immer ganz übel drin. Klar, was da drinnen „abgestellt“ wurde, blieb auch erstmal drinnen. Außen herum stand in Großbuchstaben: Zerstört sie nicht, sie können Leben retten.
Und die kleine Claudia nahm das wörtlich. Mein Kopfsalat bestätigte: „Hey super, wenn es also rundum brennt, da kann ich mich reinstellen und bin sicher.“ Das es da vielmehr um die Möglichkeit ging, einen Notruf abzusetzen, ja daran, ne daran dachte ich gar nicht. Über Jahre hinweg war ne Telefonzelle meine persönliche Safe-Zone, mein Leo, mein: „Hihi – ihr könnt mir gar nichts“. War ich überrascht, als mir mal jemand gesteckt hat, worum es wirklich geht. Und Boy, dachte der wahrscheinlich: „Oweia, ist die dumm!“
Erst vor Kurzem hat mich jemand angeregt, wieder mal von Herman Hesse Siddharta zu lesen. Irgendwie klingelte es so lange in meinem Kopf, bis ich kurzerhand dachte: Komm los, bestell einfach das Buch, es wird seinen Grund haben. Gesagt getan. Rein in den Warenkorb und am nächsten Tag war es da das Büchlein. Mein Kopfsalat bestätigte: „Genial, Siddharta in Englisch, hab eh lange nichts mehr in Englisch gelesen.“ Wie mir obendrauf zugesichert wurde: „Ja klar, kann man auch so machen, absolut!“ Und während es anderen darum geht, die Sprachgewalt, Mystik, Romantik und Spiritualität des Literaturpreisträgers vollumfänglich auszukosten, ja da, da fröne ich der Wiederbelebung des englischen Wortschatzes in meinem Leben. Und Boy, dachte der wahrscheinlich: „Oweia, ist die dumm!“
Ich liebe es! Es ist dieser Pippi Langstrumpf-Flair, dieses 3-jährige Kind, das grundsätzlich andere Dinge sieht und hört als der Otto-Normalverbraucher. Diese Neugierde an und in Neuem, gar nicht den Wunsch manifestierend, dass es irgendwie so oder so sein soll, sondern einfach Vollgas, so wie es mein Kopfsalat vorgibt. Drauf los und rein ins Geschehen, meine eigene Geschichte schreibend und mit meinen ganz eigenen Farben, gerne auch mal rausgemalt.
Als kleine Maus war mir gar nicht bewusst, wie sehr ich die junge Dame mit den lustigen Zöpfen, dem Pferd, dem Affen und dem Haus im Herzen trage. Heute würde man zugeben, dass die Figur Pippi wahrscheinlich einer der ersten Glücksgurus war, ohne dass sie oder ihre Erfinderin das wusste. Darüber hinaus war Frau Langstrumpf ähnlich schlecht in Mathe wie ich: „Zweimal drei gleich vier“, wie sie beschwingt singt. Klar, die erntete ja auch nicht den Fünfer in selbigem Fach. Übrigens nicht nur einmal.
Sich die Welt „widdewidde“ sie einem gefällt zu machen, zumindest in einem kleinen, feinen Eck zwischen meinem bubbly mind, meinem Kämpferherzen und meiner sehr gerne vogelfreien Seele. Tu, was Spaß macht und gerne mehr davon, weil es sich jetzt gerade sooo irrsinnig gut anfühlt. Mehr von unbelasteter und totaler Freude. Unser Alltag, unser Leben ist zumeist zu verkopft, ernsthaft und professionell, dass die „Jump around“- Bühne zusehends schrumpft, und das nicht nur in unserem Herzen. Wenn wir klein sind, sind unsere Augen geprägt von diesem „alles ist möglich“- Licht, und jedes Jahr mehr und mehr (bei den meisten) weicht dieses, und die große Ernsthaftigkeit, die Trauer, die „Naja macht ja nichts“- Haltung zieht ein.
S.T.S. besag es in den Worten: „Und i wer‘ kalt und immer kälter. I wer‘ abgebrüht und älter
Aber das i will i ned, und das muss i jetzt klär’n. I möcht lachen, tanzen, singen und rear’n
Angst und Schmerzen soll’n mi wieder würg’n. Und die Liebe möcht i bis in die Zehenspitzen spür’n.“
Tja, was soll ich mehr sagen, da sitze ich jetzt in meinem Safe-Space, der Telefonzelle, und lese Siddharta auf Englisch. Grüße gehen raus an Pippi.