Stellt euch bitte mal gerne vor, dass einer eurer größten Wünsche heute in Erfüllung geht. Es ist im Wesentlichen irrelevant was es ist, es kann euer Traumhaus sein, Urlaub in eurem Nummer 1 Reiseziel, euer Traumauto, der Job, den ihr schon immer wolltet. Oder in jedem Ranking unter den Top 3, der langersehnte Traumpartner. Irgendetwas treibt uns innerlich an, genau diesen speziellen Wunsch zu erreichen. Da ist dieses Loch in uns, dass uns sagt, dass wir nur dann Vollständig sind, wenn, ja wenn, das Ziel erreicht ist. Wir stellen uns lange vor, wie es ist, wenn es denn dann mal soweit ist. Alles ist in unseren Gedanken perfekt fantasiert und ausgemalt. Und dann, ja dann ist es endlich soweit. Lustig, dass unser Gehirn es dann, nämlich wenn es soweit ist, kaum fassen kann. Es ist so etwas wie eine freudige Schockstarre und wir bitten andere uns zu kneifen, um einfach mal sicher zu gehen, dass wir nicht noch im träumen festhängen. Aber, es ist tatsächlich soweit! Wir sind am Ziel, endlich können wir aufhören zu streben und zu wünschen. Wir sind ganz und gar glücklich, Betonung auf GANZ.
Und kaum angekommen, schauen schon die ersten „Grinchi-Gedanken“ um die Ecke. Der Strand, den wir uns so blau vorgestellt haben, ist schon super, ja eh, aber wieso liegen da so viele Muscheln herum? Das Auto ist sooo heiß, aber der Sitz kneift irgendwie ganz unangenehm am Po, unmöglich da länger unterwegs zu sein. Das Traumhaus der helle Wahnsinn und so auch der Nachbar, der gerade seine Karriere als Schlagzeuger ausbauen möchte. Und da sitzt er, der perfekte Partner – ein Traumi! Schon mal gesehen, wie er sich die Pizza reinwirft, besser nicht. Zuletzt sei der Job erwähnt auf den wir so lange hingearbeitet haben. Toll! Leider kann man das von den Kollegen weniger behaupten …
Ist da immer ein Loch im Ganzen, oder sind wir einfach konstant unzufrieden? Muss da was nicht in Ordnung sein, ist das einfach so? Suchen wir gar nach dem Fleck auf der weißen Hose? Haben wir gar einen Fehler gemacht beim Wünschen? Oder zu wenig darüber nachgedacht, was die Wundertüte so birgt? Viele „Liebes-Anhänger“ frönen der Meinung, dass das alles nicht passiert, wenn wir uns selbst mal so richtig und total liebhaben, denn dann und nur dann sind wir ja schon GANZ. Ganz bei uns und eine liebevolle Gesamtheit, die nichts braucht außer uns selbst. Kurz gesagt, also nix da mit Auto, Haus & Co. Denn wenn wir uns liebhaben, geht uns der Nachbar gar nicht mehr am Keks, das geht dann gar nicht mehr. Und falls doch, dann wieder zurück ins Loch, also unser eigenes und füllen mit Selbstliebe. Hmm?
Was stimmt denn jetzt? Mich selbst mehr liebhaben oder geht es darum zu akzeptieren, dass wenn wir ja sagen, wir auch zu den Flecken ja sagen? Sollen wir selbst dann der „Fleckenreiniger“ sein? Und auf die weiße Hose konzentrieren und nicht auf diese doofen, doofen Fehler? Warum passt unsere Vorstellung, so selten mit der Realität zusammen? Und warum suchen wir überhaupt das Ganze, das ganz Perfekte, das Einzigartige? Muss es immer supi-topi sein, dass wir Glück finden?
Nun ich weiß es nicht. Hey, ich bin auch nicht allwissend vom Himmel gefallen. Allerdings bin ich mir sicher, dass mir der Nachbar am Keks ginge, egal wie lieb ich mich habe. Und ich denke auch, dass mich seine Türklingel kennenlernen wird 😉. Spaß beiseite, vielleicht ist ja so, dass der Blick auf die Flecken ein anderer werden kann. Möglicherweise ist das Ganze ja gar nicht perfekt und muss es auch gar nicht sein. Eventuell geht’s nicht ums Ganze, sondern darum, die Löcher zu füllen. Das klingt jetzt echt ganz schön komisch, oder?