Das Leben und unsere Geschichten sind gezimmert aus Emotionen. Manche davon sind schön und manche schöner, oder so. Na-ja ich struggle auch immer wieder das gute auch in der Trauer zu finden oder im Ärger. Und genauso geht es mir mit heutiger Geschichte: Als ich heute früh in den Stall fuhr, sah ich am angrenzenden Feldweg ein Rehkitz liegen. Soweit ist das auch nichts ungewöhnlich, manchmal ist das so. Ich wollte schon weiterfahren, aber mein Gefühl lies es nicht zu. Irgendwie machte ich mir Sorgen und so beschloss ich umzudrehen und zu checken, ob es dem Kitz gut geht. Ich drehte also um und fuhr den Feldweg langsam zurück, ca. 50 Meter vor dem kleinen Reh blieb ich mit dem Auto stehen, damit ich es nicht schrecke und ging zu Fuß weiter. Je näher ich kam, desto bewusster wurde mir, dass es sich nicht ausruht, sondern das es wohl verletzt ist, also rief ich kurzerhand die Polizei. Mir ist bewusst, dass bei mir zu Hause eigentlich die Jäger zuständig sind, nur kenne ich keinen, also hoffte ich auf die Polizei. By the way, die sind super lieb. Er versicherte mir, dass Hilfe am Weg ist. Ich ging aber nicht. Ich setzte mich ca. 3 Meter entfernt zu dem Rehkitz und sprach mit ihm, sagte ihm, dass ich Hilfe geholt habe und das alles gut wird, obgleich ich wusste, das das nicht stimmt.
Aber ich blieb. Ich konnte erkennen, dass wohl die Hinterläufe getroffen wurden und es deshalb nicht mehr laufen konnte. Der Oberkörper war aufrecht und die kleine Maus war bei Bewusstsein, also redete ich unaufhörlich. Mehr als ich redete, weinte ich. Ich saß also am Feldweg etwas entfernt von dem kleinen Baby, schaute in den Himmel und bat um Hilfe, bat darum das es keine Schmerzen haben soll und darum, dass ich irgendetwas gutes tun könnte. Und so sehr ich es mir in solchen Situationen wünschen würde und so sehr ich immer scherze und sag, dass ich ein halbes Einhorn bin, leider hab ich keinen Glitzerstaub, auch nicht diesmal.
Kurze Zeit später kam die Polizei, schauten sich die kleine Maus kurz an und versuchten einen Jäger zu erreichen. Sonntag vor 6 Uhr ist das wohl nicht so einfach, dennoch machte sich dann einer auf den Weg. Beide Polizisten bedankten sich und sagten ich könne fahren. Ich verweigerte dies. Ich konnte einfach nicht. Beide bereiteten mich vor, dass der Jäger da auch wohl nichts mehr machen könnte, außer das Tier zu erlösen. Und für die Kosten einer Behandlung würde keiner aufkommen. Ich sagte ihm, dass ich das gerade nicht hören möchte und daran glauben möchte, dass das Tier durchkommt, aber ich wusste, das das nicht stimmt. Will ich aber nicht hören, tut mir weh.
Und ja ich weiß, ich sollte voller Liebe sein, aber der Gedanke, dass hier irgendein Vollidiot auf einem Feldweg das Tier anfährt und dann weiterfährt, macht mich so wütend. Was ist da draußen los mit den „Menschen“? Bis jetzt hab ich mich nicht daran gewöhnt, wenn ich so zeitig in den Stall fahre, dass der Weg mindestens mit 5 Hasen und oftmals auch Fasanen oder Rebhühnern gepflastert ist. Die toten Tiere werden dann Vormittags von den Jägern eingesammelt und weggebracht. Und ja, mir ist klar, dass dies in der Witterung passieren kann. Gott sei Dank mir bis dato nicht und ich bete regelmäßig, dass ich verschont bleibe. Es ist schon oft passiert, dass Tiere auf die Fahrbahn gelaufen sind, aber wie gesagt, Gott sei Dank bis dato nicht. Aber wenn es passiert, warum bitte ruf ich keine Hilfe für das Tier? Warum nicht? Weil es keinen Wert hat? Weil der Fahrer Angst hat, was dann passiert? Warum? Ich kann es nicht verstehen, echt gar nicht. Und ich mag den Typen (mir ist egal ob Mann oder Frau oder?), ich hege keine guten Gefühle für diesen Menschen.
Während wir auf den Jäger warten, sagt der Polizist, dass er das Tier auch nicht töten könnte und das das der Lauf des Lebens sei. Ich weiß, er hat es nicht so gemeint und die waren wirklich super lieb, aber der Lauf des Lebens? Dem könnte ich zustimmen, wenn das Tier von einem anderen Tier erwischt wird, oder sich beim Laufen verletzt, aber so. Der Lauf es Lebens ist es für mich echt nicht, wenn so ein rücksichtsloses Arschloch es mit dem Auto rammt.
Er erzählte, dass sie neulich zu einem Einsatz gerufen wurden, bei dem ein Kind in den Pool stürzte und seit dem im Spital im Koma liege. Er reflektierte und schloss mit der Frage, was jetzt schlimmer sei? Für mich gar nichts. Beides unfassbar schlimm, beides für mich traurig. Ja, klar mir ist bewusst, dass wir Menschen dazu neigen die eigene Rasse, die eigene Art über andere Lebewesen zu stellen. Warum auch immer? Für mich sind wir weder besser, noch in irgend einer Art überlegen. Oder habt ihr mal von einer Geschichte gehört, in dem ein Tier einen Menschen quält, foltert, erschießt, am Straßenrand anbindet und in Urlaub fährt, in einen Käfig sperrt und es aushungern lässt, ein einem kurzen Seil im Garten verenden lässt? Ich nicht. Mir ist unklar, wieso einige Menschen, immer denken, dass sie besser oder mehr wert sind als andere? Egal wie Du heißt, egal welchen Job du hast oder wie viel Geld in deinem Geldbörsel, NEIN!, du bist nicht besser als irgend ein anderes Lebewesen!!!
Viele sind so beschränkt im Denken! Glaubt ihr, echt, dass die Mutter dieses Rehkitz keine Gefühle hat, ihr Kind nicht sucht, es vermissen wird? Echt jetzt? Habt ihr schon mal Berichte von Elefantenstationen in Afrika gesehen und gehört, dass die Babyelefanten ihre Mutter teils Jahre vermissen und traurig sind, Depressionen haben? Und nur damit ich hier nicht missverstanden werde. Ich fühle komplett mit den Eltern, deren Kind im Koma liegt und ich hoffe, dass ihr Kind durchkommt und vor allem ganz gesund wird. Niemand verdient es einen anderen zu verlieren, den er liebt. Kein Lebewesen! Ich möchte übrigens erwähnen, dass die Geschwister des Tieres ca 500m entfernt immer wieder schauten und versuchten das kleine Kitz zu erreichen.
Kurze Zeit später kam der Jäger. Ich sagte ihm, dass ich vermute, dass die Hinterläufe angefahren wurden und das ich gesehen habe, dass es am rechten Fuß einen offenen Bruch hat. Was dann passierte, werde ich wohl immer im Herzen behalten. Er ging zum Tier um es anzuschauen, bis dato war der kleine Wurm ganz still, als der Jäger es hochhob, schrie es vor Angst oder Schmerzen oder beides, ich weiß es nicht. Aber ich weiß, dass ich so etwas nicht hören kann. Ich kann niemand anderen leiden sehen oder hören. Als lief ich am Feldweg auf und ab und hielt mir weinend die Ohren zu. Er sagte, dass das Tier ab der Hüfte komplett zermalmt ist, ich weiß nicht, wie ich das anders beschreiben soll. Und weiter, dass so es jetzt nur ein Bruch sei, würden sie die Tiere oft in eine Pflegestation bringen, dass dies aber keinen Sinn mehr machen würde. Er schaute mich an und sagte, dass er das kleine leider nur mehr erlösen könne. Ich erspare Euch und mir die nächsten Minuten. Ich stand da und weinte und weinte. Die drei Männer, sagten, dass ich lieber fahren solle.
So verabschiedete ich mich von der kleinen Maus, entschuldigte mich, dass ich nicht mehr machen konnte und bedankte mich bei den Polizisten und dem Jäger, setzte mich ins Auto und fuhr weiter in den Stall. Ich heulte die ganze Fahrt, meine Hündin versuchte mich ganz aufgeregt zu trösten, aber ich weinte und weinte. Ich weiß aus Erfahrung, dass die Tier das ganz genau verstehen, dass sie getötet werden und es war ein Baby und alleine. In diesen Momenten würde ich so gerne tauschen, wenn ich nur eine Gabe hätte, damit es anderen nicht so geht. Hab ich aber leider nicht. Im Stall angekommen, war ich noch immer am weinen. Ich ging auf die Koppel und stand da und weinte und weinte. Das was dann passierte, brachte mich noch mehr zum weinen. Alle Pferde stellten sich rund um mich, blieben stehen. Die, die mir am nächsten waren, untersuchten mich mit der Schnauze, stupsten mich immer wieder an. Sie blieben, als wüssten sie das etwas nicht in Ordnung war mit mir.
Also hatte ich jetzt einen guten Morgen oder einen weniger guten? Ich bin immer noch traurig, dass ich nichts tun konnte. Oder viel zu wenig. Ich bin ein Mensch, ich glaube nicht an Zufälle, sondern eher das das Fälle sind, die einem zufallen. Also sollte ich wohl dort sein. Nur warum, wenn ich dann nichts tun konnte? Vielleicht war das auch genug, auch wenn es sich nicht so anfühlt. Eventuell war es gut, dass ich da war, hoffentlich! Was bleibt, ist der Wunsch, dass die kleine Maus eine gute Reise hatte und, dass es mir leid tut. Meine Gedanken sind bei beiden Mamas und Papas.