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Schäferstündchen

Es war einmal vor langer, langer Zeit ein Himmelskörpermädchen namens Sole. Sie war ein wahrlich heißes Mädchen, ihr Äußeres überstrahlte alles je da gewesene. Sole hatte ein sehr sonniges, freudvolles Gemüt. Sie war gerne da oben am Himmel und strahlte was das Zeug hält, für die anderen Planeten und deren Bewohner. Sole war ein richtiger „Strahlekeks“, immer gut gelaunt und immer in der Lage anderen ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern. Allen wurde immer ganz warm, wenn sie in ihrer Nähe waren.


Das andauernde, kräftige Strahlen war jedoch ein ganz schön anstrengender Job, immer so zu leuchten und dabei noch heiß auszusehen, war schon eine Aufgabe für sich, aber Sole, war sie wahrlich auf den Leib geschrieben. Sie liebte das was sie tat und auch deshalb lebte sie es voller Freude. Sole fand das es eine tolle Berufung war, die meisten die sie kannte und von oben beobachtete freuten sich immer, wenn sie am Himmel erschien und wer sonst noch könnte das behaupten? Nur sehr wenige fluchten manchmal. Das verstand sie aber auch, manches Mal meinte sie es halt zu gut und strahlte zu heftig, sodass andere ganz rot und heiß wurden. Manchmal entzündete sich auch die Landschaft, das war ihr dann überhaupt sehr unangenehm. Ja, Sole mochte ihr Leben, es war ein schönes Leben. Wenn sie nicht so einsam gewesen wäre.

Denn so viel sie auch strahlte und versuchte die anderen zu begeistern, keiner traute sich so richtig ihr nahe zu sein. Alle heiligen Zeiten versuchte jemand an sie „ran zu kommen“, aber bereits auf halbem Weg gaben sie wieder auf, es war ihnen einfach zu heiß. Sole verstand das alles nicht und je älter sie wurde, desto trauriger, aber auch ärgerlicher wurde sie. Gab es da draußen denn gar kein Wesen, das mit ihr sein wollte?

Als sie eines Nachts schlief, träumte sie von einem Gespräch mit den anderen Himmelswesen. Die erzählten ihr von einem jungen Mann mit dem Namen „Luna“. Sie dachte noch: „Was für ein überaus seltsamer Name für einen Jungen?“ Er sei ein sehr sensibler Mann, voller Romantik und Tiefsinnigkeit, ein stiller und ruhiger aber ein sehr feiner junger Mann, ein wahrer Schatz. Luna hätte eine enorme Anziehungskraft, aber dennoch funktioniere es nicht gut mit Partnersuche für ihn. So verbringe der Romantiker viel Zeit alleine, wandert stets einsam vor sich hin und sinniere viel über sich und die Welt, schreibt Lieder und Gedichte. Er ist sehr nachtaktiv und schon deshalb hätte er eine Arbeit in der Nacht angenommen. Das gefällt vielen wohl nicht und ist ebenso nicht sehr hilfreich bei der Partnersuche. Er arbeite als Beleuchter, eine gute Arbeit, wie viele finden.

Sole hörte aufmerksam zu. „Er sei das genaue Gegenteil von ihr“, das fand Sole ja besonders spannend. „Das Gegenteil von mir?“, wiederholte sie beim Aufwachen. „Das hört sich ja alles seltsam an, ob es diesen Luna wirklich gibt oder war das alles nur ein Traum?“ Sie beschloss aktiv zu werden und fragte jeden sie kannte. Vielen sagten, dass sie noch nie etwas von diesem jungen Mann mit dem eigenartigen Namen gehört hatten. Sole war frustriert: „Also doch nur ein Traum, wie schade!“ Aber eines Nachts zog eine Wolke an ihr vorbei, die ein Lied summte: „La le lu, nur der Mann im Mond hört zu …“, da war Sole auf einen Schlag hellwach und schrie der Wolke ganz aufgeregt hinter her: „Wolke, was singst du denn da?“ Die Wolke hörte auf zu summen und schaute ganz verwundert zu Sole: „Ja Sole, warum schreist du mich denn so an, du hast mich erschreckt!“ Sole entschuldigte sich höflich und fragte nochmals etwas leiser: „Wolke, was summst du denn da?“. Die Wolke antworte höflich: „Das Lied von Luna, kennst du es denn nicht.“ „Du kennst Luna“, schrie sie wieder und während sie schrie, war ihr die Lautstärke unangenehm. Die Wolke runzelte die Stirn und entgegnete: „Ja natürlich, ein sehr höflicher Mann, übrigens – achtsamer im Gebrauch seiner Stimme“. Sole schämte sich und setze nochmals neu an, jetzt wieder viel leiser: „Ich suche Luna, wenn du ihn kennst, kannst du mir bitte sagen, wie ich ihn finden kann?“ Die Wolke war erfreut über die ihr nun entgegengebrachte Höflichkeit und sagte: „Luna lebt bei den Nachtgestirnen, Mutter Erde passe sehr gut auf ihn auf, deshalb verstecke sie ihn quasi hinter sich. Er sei ja so ein sensibler junger Mann, voller guter Gedanken und wahrlich ein Schatz, gut das Mutter Erde so gut auf ihn aufpasst und ihn beschützt?“ „Ein Mamasöhnchen also?“, ups, das wollte sie eigentlich gar nicht laut aussprechen. „Sensibel, ein wahrlicher Schatz“, wiederholte sie nochmals leise für sich. Sole schämte sich wieder. Die Wolke runzelte daraufhin belehrend die Stirn: „War das etwa eine Frage?“, wollte sie von Sole wissen. Das wusste der Strahlekeks auch noch nicht. Nur was wollte sie dann noch wissen, oder wollte sie überhaupt noch etwas wissen zu Luna? Sole wusste es wirklich nicht. Dann platze es aber dennoch aus ihr raus: „Wieso denn bitte beschützen?“ Da begann die Wolke zu erzählen: „Luna hätte wohl eine sehr eigene und wahnsinnig starke Anziehungskraft, das würde alle wohl ganz „wuschig“ machen.“ „Wuschig?, was ist denn das für ein komisches Wort?“, mischte sich Sole ein und dachte so für sich, „was die Wolken immer für Ausdrücke verwenden?!“ Die Wolke führte nun unglaublich belehrend fort: „nicht entspannt, eigenartig im Verhalten!“ und weiter „alle fühlen sich dann immer so angezogen von Luna und würden ihn belästigen, permanent zutexten, beschwören und geradezu anbeten und das ärgere Mutter Erde.“ „Na der muss ja komisch drauf sein“, dachte Sole so für sich. „Ihr seid total verschieden“, schloss die Wolke ihre Ausführungen bevor sie weiterzog. Aber Sole hatte schon viele eigenartige Typen kennengelernt, auf den einen mehr käme es dann auch nicht an. Und es ist eine Chance, „so viele in ihrem Alter und von ihrer Art gibt es jetzt auch“, beendete auch sie ihre Ausführungen. Also beschloss Sole sich selbst ein Bild zu machen von Luna. Nur wie sollte sie das anstellen? Luna wohnt sehr weit weg und dann war da auch noch seine Mutter, die stand wohl zwischen ihnen. „Ob das all die Mühe wert sei?“, dachte Sole so für sich. „Soll er sich doch auf den Weg machen und sie suchen, schließlich sei sie ja das Mädchen“, entrüstete sie sich. Aber da half gar nichts, „wie solle Luna denn sonst von ihr erfahren? Und wie soll sich jemand auf den Weg machen um mich zu finden, der gar nicht weiß, dass ich existiere?“, reflektierte sie. Wie gesagt, da half kein grübeln und studieren, Sole musste sich also selbst auf den Weg machen um Luna kennenzulernen. Jetzt musste sie nur noch rausfinden wie sie das mit ihrer täglichen Arbeit kombinieren könne, denn wer würde denn dann so scheinen wie sie? Sole hatte nicht so viele freie Tage, also würde es schwierig gehen auf Wanderschaft zu gehen. Deshalb hatte sie eine andere Idee, „Mutter Erde sehe ich ja immer wieder!“, also beschloss sie, ihr Bescheid zu geben und um ein Kennenlernen zu bitten. Sole hoffte, dass ihre Freundinnen davon nicht erfahren würden, es war ihr unangenehm über die Mutter um eine Verabredung zu bitten. „Allerdings sehr emanzipiert“, redete sie sich gut zu.
Sole und die Erde waren von unterschiedlicher Art, Sole war ein Gestirn und die Erde, so sagte man: „ein Planet“. Sole hoffte, dass sie sich dennoch verständlich machen konnte und sie einen guten Eindruck auf die Erde machen konnte. Bei nächster Gelegenheit also, fasste sich Sole ein Herz und fragte Mutter Erde: „Hallo Erde! Kennst du mich noch? Erde, ich habe von Luna gehört und möchte ihn sehr gerne mal kennenlernen, gerne mit ihm reden!“ Mutter war recht überrascht und entgegnete forsch: „Sole, was soll denn das? Ihr passt doch nicht zusammen, ihr seid zu unterschiedlich. Luna braucht eine ruhige, introvertierte junge Frau an seiner Seite und du Sole bist zwar ein sehr helles Mädchen, jedoch willst du immer im Mittelpunkt stehen, das passt einfach nicht.“ Sole war entsetzt und verärgert: „Erde, du kennst mich wohl schon länger aber sehr nahe sind wir uns bis jetzt nicht gekommen, also urteile bitte nicht so vorschnell! Luna klingt ähnlich einsam wie ich und ich glaube, dass wir viele Gemeinsamkeiten haben, alleine über unsere verantwortungsvollen Berufe, wir beide wissen andere zu begeistern.“ Mutter war noch immer zurückhaltend: „Ich weiß nicht, es klingt nicht nach einer guten Idee für mich, ihr seid beide beruflich viel unterwegs, wie soll denn das funktionieren auf Dauer? Wie stellst du dir das vor?“ Sole setzte ein letztes Mal ein mit ihrem aller letzten Argument das ihr spontan einfiel, sie wusste aber, dass es nur eine kleine Chance war: „Aber ist es nicht egal Mutter wie oft man sich sieht, wenn man sich liebt und sehr verbunden ist?“ Sole wusste nicht, dass die Erde ein gutes Herz hatte und Soles Worte berührten sie. Also sagte sie zu, Luna von ihr zu erzählen.

Auch Luna hatte großes Interesse, Sole kennenzulernen. Vor Mutter gab er es nicht zu, aber auch er hatte schon von diesem strahlenden Wesen gehört. Er hatte sich jedoch nicht getraut sie anzusprechen. Immerhin zwei Mal im Monat versuchte er es ihr am Himmel gleich zu tun und in ganzer und voller Pracht zu strahlen, wie sie sonst immer. Es war zwar ein anderes strahlen als Sole das konnte, aber Luna war dennoch stolz auf sich. Außerdem wusste er, dass Mutter Erde nicht sehr begeistert war, von seiner Anziehungskraft, aber er fand es irgendwie schon cool. Er fühlte sich dann wie die Popstars, richtig wichtig, Es gefiel ihm, wenn die anderen ganz aufgeregt waren, wenn er so am Himmel strahlte, ganz voll und dick. Er stimmte also natürlich zu, Sole zu treffen. Das wollte er sich nicht entgehen lassen.

Also vereinbarten sie sich für die nächste Mondfinsternis, denn da hatte Sole zumindest kurz frei. Beide waren so aufgeregt sich kennenzulernen und überlegten fortan jeden Tag und jede Nacht, was sie den anderen Fragen würden, was sie voneinander erfahren wollen. Die Zeit schien endlos lange zum Treffen, was für Sole, die ja total ungeduldig war, schwieriger war. Luna hingegen, kreierte in der endlos scheinenden Wartezeit, eine Fülle von romantischen Ideen für Sole. Dann endlich war es soweit, der Tag der Mondfinsternis. Sole zog ihr schillerndstes Kleid an und Luna kam ganz cool in Schwarz und Grau. „Frauen mögen es unspektakulär bei Männern“, hatte er gehört. Und weil er von seiner unheimlichen Anziehungskraft wusste, trug er eine lässige Brille, Sole hatte die wohl hergestellt, denn sie hieß „Sonnenbrille“, „eigenartig“, dachte Luna, aber die Brille gefiel ihm. Als sie sich sahen, waren beide sehr angetan. Sole war ganz hin und weg von diesem jungen Mann, sie verliebte sich sofort, er war sehr romantisch, sehr liebevoll und achtsam und sie mochte es, dass er viel ruhiger und stiller war als sie. Luna hingegen, hatte noch nie ein Mädchen gesehen, dass so viel Wärme ausstrahlte wie Sole, für Luna konnte es gar nicht warm genug sein. Luna wusste ja im Vorfeld, dass die Mutter ein wachsames Auge auf die beiden haben würde, also machte sich ganz breit vor Sole, sodass die Erde nichts mehr sehen konnte. Luna fand das sehr nett. „Wie ein echter Gentleman“, dachte sie sich. Sole gefiel das, sichtlich wusste Luna wie man ein Mädchen behandelt. Die Zeit verging viel zu schnell und so vereinbarten sich die beiden wieder, diesmal zur Sonnenfinsternis, Sole war das wichtig, sie wollte Luna beweisen, dass sie eine fortschrittliche Frau war.

Und so trafen sie sich ab dem Zeitpunkt zu jedem für sie möglichen Gelegenheit, entweder zur Sonnen- oder aber, zur Mondfinsternis. Die kurze Zeit die sie hatten, nutzen sie bestens. Luna hatte immer wieder tolle, sehr romantische Ideen für ihre Treffen und um Sole jedes Mal aufs Neue zu überraschen. Dabei musste er das gar nicht mehr, seine Anziehungskraft, überzeugte Sole ohnehin, sie war so verliebt, dass es ihm Jahr ihres Kennenlernens, den heißesten Sommer überhaupt gab. Und Luna war seinerseits so begeistert, dass viele sagten, so schön hätte er noch nie ausgesehen. Es war beiden bald klar, dass sie nie mehr ohne den anderen sein wollten, auch wenn es schwierig werden würde, wegen ihrer beiden Jobs. Also wurden die beiden ein Paar und was für ein Paar.

Die beiden halten es noch heute so, dass sie sich zu jeder einzelnen Mond- und Sonnenfinsternis treffen, nie haben sie eine ausgelassen. Noch heute ist Luna so diskret und macht sich groß, sodass die Erde nichts sieht und die beiden ein wenig Zeit nur für sich haben. Luna ist immer noch der Gentleman den Sole damals kennengelernt hat. Als Beweis seiner Liebe zeigt er heute noch den Menschen, wie sehr er Sole vermisst, in dem er immer nur nach ihren gemeinsamen Treffen, wie Sole ganz voll vom Himmel scheint und die übrigen Tage zeigt er immer nur eine Hälfte, ein Stück von ihm. Man erzählt sich noch heute unter vorgehaltener Hand selbstverständlich, dass es immer genau nach der Mond- und Sonnenfinsternis ein Sternchen am Himmel mehr gibt. Was für ein Schäferstündchen.