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nachlass

Habt Ihr schon mal darüber nachgedacht, was ihr sozusagen der Nachwelt hinterlassen wollt? Was wollt Ihr den Menschen hinterlassen, die Euch lieben und denen Ihr verbunden wart? Was ist Euer Nachlass? Was soll Euer Nachlass sein?

Lustiger weise denken oder reden die wenigsten Menschen gerne über dieses Thema. Und mir ist nicht ganz klar warum. Früher oder später ist es doch für uns alle soweit. Und ist es nicht eher unsere Verantwortung, gerade wenn wir Menschen lieben uns um diese/s Thema/en zu bemühen?

Welches Umfeld wollen wir hinterlassen? Welche Werte? Welche Gedanken und Taten sollen Spuren hinterlassen? Was soll bleiben, wenn wir nicht mehr sind?

So lange ich denken kann, habe ich mich mit dem Thema immer wieder auseinandergesetzt? Warum? Nein, ich bin kein Mensch der den Tod sucht oder gerne sterben möchte. Ich bin das Gegenteil. Wenn ich eines wirklich gelernt habe, dann ist es zu überleben, von „der Schaufel zu hüpfen“, ich will das Leben leben und noch so tief einatmen, dass mir vor Freude die Tränen runterpurzeln. Aber als Herzkranker Mensch (klingt irgendwie eigen, wahrscheinlich, weil ich mich generell nicht darüber definiere oder weil es tausend andere Dinge gibt die ich auch bin, außer Herzkrank eben) mit (bis dato) vier Operationen, wäre ich mindestens viermal bereits weggekippt. Sollte aber nicht sein. Wobei diese Operationen ja immer nur die halbe Miete sind. Einerseits, weil ich täglich damit lebe und es ja rein theoretisch permanent sein kann, dass ich das zeitliche segne, aus den Latschen kippe, vor der Himmelstüre klopfe. Und dann gibt es die Zeit davor, denn Du weißt ja nie ob Du vom OP Tisch hüpfst oder eher kalt rausgeschoben wirst. Ihr merkt schon, ich bin bei dem Thema sehr schmerzbefreit. Ach, letztlich gibt es noch die Zeit nach der OP. In meinem Fall hieß das damit klar zu kommen, dass mein Brustkorb gebrochen wurde, ich stundenlang mit gespreiztem Brustkorb und zig Händen in mir daliegen durfte. Es ist nicht ausschließlich der körperliche Schmerz, sondern dieses Gefühl, dass Du so schutzlos warst oder bist, andere einfach tun ohne das Du dazu deutlich ja sagst. Ja klar, sie wollen Dein Leben retten aber sorry, das legitimiert nicht, dass Dich so viel nackt sehen und Du komplett schutzlos ausgeliefert bist, im wahrsten Sinne gebrochen. Und damit muss man klarkommen. Die inneren und äußeren Schmerzen zu ertragen, die inneren und äußeren Wunden heilen zu lassen und täglich, stündlich, minütlich sich ins Licht zurück zu kämpfen, dahin zurück wo ich hingehöre. Ich weiß seit meinem 3.Lebensjahr von meiner Krankheit, ich bin damit groß geworden, ich lebe seit jeher damit. Und mir ist klar, viele denken oder sagen, das ist ja was ganz Anderes, wenn man bereits so lange damit zu tun hat. Es sei viel schrecklicher, wenn es einen „unverhofft“ trifft, dass sei ein wesentlich dramatischerer Schicksalsschlag. Blödsinn! Es ist das was Du daraus machst und sonst gar nichts. Ich weiß, trotz dieser Geschichte oder gerade deshalb wie unfassbar beschützt ich bin und wie viel ich aushalten kann. Also ich denke, ich kann mich nicht nur einfühlen, sondern auch total kompetent mithalten und mitreden, wenn es um dieses Thema geht.

Und ich habe überlegt, was ist, wenn ich gehe. Hab ich alles erlebt, erledigt, gefühlt, bezwungen, erklommen? Da war die Antwort immer nein, ein deutliches NEIN. Ich war mit allem noch nicht fertig, bis jetzt nicht. Aber dann gibt es ja noch einen ganz anderen Part, wenn ich sterbe, bekomme ich es nicht mit, streng genommen kann es mir Wurst sein. Da gibt es keine Trauer. Aber was ist mit den anderen, die mich lieben? Welche Verantwortung habe ich für sie? Oder kann mir das auch Banane sein? Letztlich, ich merke es ja nicht mehr. Ich gehe.

Ja klar, ich weiß schon, dass man da nichts vorgeben kann, nichts erwarten oder wünschen kann. Aber wisst ihr was, das tue ich. Es ärgert mich, wenn ich nicht darauf achte, wie ich meinen Platz räume. Ich mags nicht, wenn Menschen einen „dreckigen“ Platz hinterlassen. Was meine ich damit? Ich meine Verantwortung zu übernehmen. MEINE Geschichten zu regeln, eben meinen Nachlass. Was hinterlasse ich und wie? Meine Finanzen regeln, egal ob ich Geld habe oder nicht aber wie lasse ich diesen Bereich zurück? Wie kommen meine Nachfahren dazu, nicht nur zu erahnen was ich gerne gewollt hätte, sondern auch wie kommen Menschen die ich vorgebe zu lieben dazu meine von mir verursachten Schulden zu übernehmen? Ich mach mich aus dem Staub und sie müssen diese Last weiterleben, täglich kämpfen. Was soll das bitte? Sorry aber ich finde das nicht nur rücksichtslos, sondern in einem Höchstmaß egoistisch.

Und dann gibt es da etwas was mich noch trauriger macht. Was wenn ich Kinder hinterlasse? Welche Erinnerungen werden sie an mich haben? Werde ihre prägnantesten Erinnerungen sein, wie ich gelitten habe? Wie ich mich kaum auf den Beinen halten konnte? Will ich das für sie? Wiederum, ich leben dann nicht mehr mit dieser Last, für mich ist es aus und vorbei. Aber sie tragen diesen Schmerz in ihrem Herzen. Was hinterlasse ich damit?

Ich würde in der mir verbleibenden Zeit lieber tausend und einen Brief schreiben. Zu jedem ihrer Geburtstage und wichtigen Punkte. Briefe, die liebevolle Erinnerungen enthalten, Dinge auf die ich sie nicht mehr vorbereiten konnte, die ich nicht mehr sagen konnte. Ich würde meiner Tochter Videos hinterlassen, wie man seine Hubis (Brüste) ordentlich in BHs verstaut und ihnen zeigen, von welchen Rasierern man lieber die Hände lässt. Ich würde ihnen was über Männer berichten, zumindest das, was ich weiß ;-). Wie man Wäsche wäscht, wie man sich schminkt. Rat und Tat zu all diese Milliarden Fragen die man hat, wenn man groß wird. So, dass sie spüren und wissen wie sehr ich sie geliebt habe und was mir wichtig war. Das würde ich machen, das würde ich hinterlassen.

Ich würde einen Platz hinterlassen, der nicht nur aufgeräumt ist, sondern auch so lastenfrei wie machbar, so liebevoll wie irgendwie möglich und so positiv (ja, ich weiß was ich da schreibe), wie ich es erschaffen kann. Ich möchte das die Menschen nach mir atmen können und ich da draußen etwas hinterlassen kann, dass wertvoll ist. Geschichten, Erlebnisse, Worte und Taten die LEBEN, auch wenn ich nicht mehr da bin.