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Fundstücke

Wann waren Sie das letzte Mal Single? Und wie war das so für Sie als quasi Einzelgänger, als einsamer Wolf, als lonely Ranger? Die meisten die ich kenne sagen bei der Frage immer: „Hui, das war ja eine ganz tolle Zeit, einsame Spitze, die beste Zeit meines Lebens. Sooo cool, ich konnte machen was immer ich will und war niemandem Rechenschaft schuldig. Und ich habe tolle Menschen kennengelernt, was für ein Spaß!“ Ich bin unsicher. Aber wenn sie mich nicht alle anlügen, dürfte es etwas für sich haben, alleine zu sein. Ich spreche hier nicht von der sehr esoterischen Sichtweise, in der es darum geht „all eins“ zu sein, also ganz und gar bei sich und mit sich zu sein. Klar, mit wem auch sonst, wenn man Single ist. Alles gut und schön, ich spreche wirklich davon, Single zu sein, wenn man das gar nicht so toll findet. Also so etwas wie gezwungen immer das gleiche zu essen, obwohl man gar nicht mehr will oder etwa immer Parkplatz zu suchen oder andauernd im Stau zu stehen, obwohl man das nicht toll findet. Kurzum genannt „meine persönliche Hölle“. Aber vielleicht darf ich Ihnen ja heute meine Sicht der Dinge vorstellen. Apropos vorstellen: „Hallo, mein Name ist Claudia, ich bin ohne Frage jung, gut aussehend, wahnsinnig intelligent und definitiv sexy. Und das Wichtigste, ich bin Single. Gut, ein wenig übertrieben oder untertrieben dort und da, aber was solls. Also sag ich mal herzlich Willkommen, nehmen Sie gerne Platz und genießen Sie … meine Welt!“


Und genau weil wir gerade so herzhaft zusammenkommen – es geht ja um Herzensangelegenheiten, möchte ich Ihnen gleich von Anfang an die Wahrheit sagen, ganz unverblümt und ungeschminkt. JA, ich weiß schon, das will eigentlich ja niemand. Aber da müssen wir jetzt beide durch. ICH also, habe als Single derartige fröhliche, befriedigende, lockere Erfahrungen, wie oben erwähnt, nicht gemacht. Ich empfinde den Singlemarkt persönlich ja eher als eine Art Restplatzbörse. Eine Galerie der Single-Fundstücke. Eine riesige Fundgrube der einsamen Herzen.

Ein Platz dessen Name „Lost and Found“ ist. Ja, ich denke das passt wirklich gut „Lost & Found“. Vielleicht liegt ja das „Übel“ der Dinge daran, dass ich mich kaum entscheiden kann. Soll ich mich jetzt eher beim „Lost“ Schalter anstellen? Oder doch beim „Found“? Meine zahlreichen Persönlichkeiten streiten sich auch immer. Manches Mal fühlt man sich ja eher verloren in den unendlichen realen und virtuellen Weiten aller möglichen und unmöglichen Partner, also überall dort, wo man heute auf andere so glückliche Singles findet. So viele Möglichkeiten, so viele Chancen und so viele „Nein, der nun wirklich nicht!“.

Oder müsste ich mich vor dem „Found“ Schalter anstellen? Oder hätte mich mein letzter Freund dort liebevoll deponieren müssen, nach dem Schluss gemacht haben? Wer stellt da wen ab? Oder aber, stelle ich mich dort selbst an, da Frauen ja generell gefunden werden wollen? Ich bin verunsichert. Ein wenig erinnert mich das an das riesen Spieleparadies eines bekannten Möbelherstellers. Ab und an dröhnt es dann durch die Lautsprecher: „Die kleine Claudia möchte aus dem Spieleparadies abgeholt werden!“ Und ja, he, da kommen auch immer wieder Menschen, also konkret Männer vorbei, die mich aus dem Spieleparadies „befreien“ wollen. Aber auch das ist ähnlich wie beim bekannten Möbelmarkt um die Ecke. Wenn man dann sieht wer einen abholen möchte, bleibt man lieber noch eine Weile, ne lange Weile vor Ort und spielt weiter oder gerne auch für immer, je nachdem.

Aber tief im Herzen wollen wir ja alle die ganz große Liebe finden, oder gefunden werden. Wir wollen, dass uns jemand sieht als sein persönliches Herz-Fundstück. Wir wollen, dass uns jemand so sieht wie wir sind und genau das liebt. Egal ob wir gut, frisch und lecker verpackt vor ihm oder ihr stehen oder unsere Tupfenpyjama tragen, die wir eigentlich schon seit der 4.Schuloberstufe im Kasten haben und die uns unserer Meinung nach, noch immer super steht. Wir wollen diesen Menschen finden. Ihm oder ihr unser Herz schenken mit dem fettesten Lächeln, das wir zu bieten haben. Ähnlich wie ein 3 jähriges Kind, das das erste Mal den Weihnachtsbaum sieht und die gefühlten 312 Geschenke unter dem Baum. Wir wollen das ganz Große und davon alles. Was auch immer das individuell für jeden von uns ist.

Frauen suchen ja zumeist ihren Seelengefährten, „the one and only“, den Prinzen, das ganz besondere Fundstück, den Menschen, der genau und seit Jahren auf uns wartet, wie wir. Männer suchen dann wohl eher zumeist das Schnäppchen, den Aktionsartikel zum Bestpreis. Frauen shoppen gerne und auch gerne länger – man will sich ja sicher sein und wirklich das beste Angebot finden. Männer leben eher so die „rein ins Geschäft, kaufen und wieder raus“-Strategie. Gut, dass es keine Wühlkisten gibt. Das wäre was. Schreckliche Vorstellung.

Irgendwie aber dürfte diese Fundgrube, dieser Singlebörsenmarkt allerdings eine kleine aber gröbere „wirtschaftliche“ Krise haben, denn das Verhältnis von Angebot und Nachfrage ist ja komplett verschoben oder sollte ich sagen verschroben. Das was man wirklich will gibt’s einfach nicht, kommt sichtlich auch nicht und wenn man fragt heißt es trocken: „Da können wir ihnen nun wirklich nicht helfen!“. Hingegen, das was man absolut und überhaupt nicht will, gibt es zu genüge. So viel davon, dass die uns schon nachlaufen, einfach mitwollen. Man nennt sie dann liebevoll „Stalker“.

Etwas ähnlich zur Arbeitswelt, oder? Während in den diversen Stelleninserationen nach den super jungen, top ausgebildeten, erfahrungsreichen und günstigen Stars gesucht werden, werden zumeist am Singlemarkt die ebenso jungen, aber unerfahrenen, gerne biegsamen, sexy Stars gesucht. Die Realität am Arbeits- und Singlemarkt sind dann doch eher die etwas älteren oder reiferen, tollen, intellektuellen, erfahrenen, ambitionierten, selbstbewussten, attraktiven, stolzen, knackigen … ich denke, ich kann hier unterbrechen, da ich meinen Standpunkt klar gemacht habe …

Gemeiner, oder feiner Weise gehen wir in Spanx und Push-Up BH zu den ersten Dates und nicht in der Tupfenpyjamahose. Wir sagen ja auch bei Bewerbungsgesprächen nicht, dass wir generell im Leben, in der Realität total faul sind und nie pünktlich erscheinen. Fairerweise sagen uns Firmen dafür in Vorstellungsgesprächen nicht, dass sie kurz vor dem Bankrott sind. Also alles gut, oder? Kommt Ihnen das irgendwie bekannt vor? Wie ich gesagt habe, wir werden älter, aber die Spiele bleiben die gleichen. In Wahrheit raufen wir noch immer um den roten Ball und wollen noch immer nicht der oder die Letzte sein, der ausgewählt wird beim Volleyball spielen. Und wie heißt es dann, wenn wir nicht aufgerufen werden? Nein, nicht Loser. Ja, genau, wir sind überqualifiziert.

Also planen wir die nächste Stufe. Wir setzten uns hin und betreiben Onlineshopping, genannt Onlinepartnersuche und haben eine sehr konkrete Einkaufsliste. Nicht nur das, wir schreiben nun selbst unsere „Stellenbeschreibung“. Und wir wissen nach all den Jahren sehr genau wer wir sind: „Jung, knusprig, total tolerant, ehrlich, sind grandios sportlich und mindestens seit Jahrzehnten reich und erfolgreich.“ So notieren wir es dann auch in unser Profil. Noch ein schmuckes Bild hinzu. Dass wir auf dem Bild noch 15 Jahre jünger und 25 Kilogramm leichter sind, muss ja so niemand erfahren. Es muss schnell gehen, wir haben doch schließlich keine Zeit. Wir sind ja schließlich schon älter, oder reifer, manche auch beides. Und wir wissen was wir wollen. Also notieren wir ebenso das in das Profil. Das ist dann der oder die 20-jährige Sportskanone, die uns irrwitzigen und abenteuerlustigen Menschen täglich begleitet … aufs Sofa, zu Hause, natürlich.
Wir werden – also wir Frauen – ja nicht darauf vorbereitet. Schon wenn wir klein sind, sehen wir Filme und hören von Märchen, wo der Prinz definitiv kommt und es endet immer mit „und sie lebten glücklich bis an ihr Lebensende!“

Da ist keine Rede von herumliegenden Socken, Zahnpastatuben, Alltagssorgen, davon das der Prinz eine andere findet oder gar sich aus dem Staub macht. Nein! Der Zauberprinz am Pferd ist nur unterwegs irgendwo liegen geblieben. Entweder ist das Pferd tot oder er hatte kein Navi mit. Aber wir warten, im Spieleparadies, darauf das wir abgeholt werden, darauf das er uns findet unter all den anderen roten Bällen.
Und wir schrecken auch nicht zurück vor ungewöhnlichen Methoden. Der neueste Trend dürfte dann „dating naked“ heißen. Ich lasse also alles fallen (und damit meine ich nicht nur die Gesichtsmuskulatur, wenn sich mein Date wieder nicht als Mr. Right herausstellt) und begegne dem Anderen einfach mal ohne Klamotten, ganz nackt. Da wird es dann schon mal zur Herausforderung auf die inneren Werte zu achten, wenn dich die äußeren so laut „anschreien“. Aber gut, viele sagen jetzt sicher: „Na, dann kaufe ich wenigstens nicht die Katze im Sack!“. Definitiv. Vielleicht möchte ich allerdings auch mal zuerst die Katze sehen, wenn sie verstehen was ich meine.

Wie funktioniert es also? Nun, keine Ahnung. Aber ich kann ihnen verraten was ich jetzt mache. Ich höre jetzt auf zu Suchen. Suchen ist nämlich genauso doof wie Single sein. Ich habe zwei Ideen, entweder ich gründe jetzt mein eigenes Spieleparadies und lasse meinen Namen so lange ausrufen, bis mal was Ordentliches um die Ecke kommt ooooder ich gehe zu einer Wahrsagerin. Wahnsinns Idee, oder? Und die soll mir dann gefälligst ganz genau sagen, wo mein Fundstück, genannt Mann, vergraben ist. Ja, die Frau von Heute ist emanzipiert und nimmt das Ruder selbst in die Hand. Also, nehme ich schon mal die Krücken oder den Rollator (nach der gefühlten Ewigkeit an Warterei bin ich ja im fortschrittlichen Alter) selbst in die Hand und laufe los, gut es ist wohl eher ein – spaziere los, aber ich mache mich auf den Weg. Denn darum geht’s ja, oder?

Ähnlich wie Moses damals. Ich hoffe nur, dass sich das sprichwörtliche Meer dann auch bei mir trennt und ich nicht nur im Meerregen stehe. Und ich hoffe ferner, dass wenn ich so klitsche nass vor meinem Prinzen stehe, er mich auch erkennt, als sein Herzfundstück und nicht nur als duschfreudigen Single.