Zum Inhalt springen

fifty shades of business

Wer kennt sie nicht, die teuer formulierten Unternehmens- Philosophien, die erstrebenswerten Geisteshaltungen, die in den Hochglanzbroschüren kostenintensiv (natürlich von unternehmensexternen Menschen) ausformuliert wurden? Die bestens promoteten Ideologien des „Firmen-Miteinanders“, die Kund_innen und Mitarbeiter_innen ansprechen sollen, in Scharen zu kommen, zu kaufen, aber bitte nicht zu bleiben? Ähnlich dem Märchen vom „Rattenfänger aus Hammel“, tönen überall die Sprüche von den Firmenwebseiten, die wir vermeintlich hören und lesen wollen: „Mitarbeiter_innenfreundlich“, „Kund_innenorientiert“, „gemeinsam“, „Work-Life-Balance“, „fairplay“, „Team“ usw., usw.. Aber ähnlich wie im betitelten Märchen, fängt alles erstmals rosig an, geradezu herrlich, also das tolle Büro, das durchaus vorzeigbare Firmenauto, die 1A präsentierte Philosophie, die total umgänglichen und gar nicht hierarchisch orientierten Vorgesetzten.

Auf der anderen Seite, darf ich vorstellen: Mal besser und mal etwas weniger gut getunte Lebensläufe. „Kosmetischer Operationsbericht“ wie ich es gerne nenne. Hier wird getrickst und „gedeixelt“ um Lücken zu schließen und todlangweilige Aufgaben total spannend zu formulieren. Alles dafür, dass man sich erwiesenermaßen rund 3-10 Sekunden Zeit nimmt für einen wirklich, wirklich, wirklich gut gescannten Eindruck ins Leben anderer und die Tatsache ob er oder sie geeignet ist. Genau! Auf dem Foto wollen/sollen wir aussehen, wie ein arbeitswilliger Mensch. Der Teint darf nicht zu braun sein, zu erholt soll man ja nicht aussehen. Kleidung durchaus leger, aber nicht als würden wir gerade vom Bäcker ums Eck kommen. Und lieber nur ein Portrait und kein Ganzkörperfoto, es geht ja schließlich nicht um einen Modell-Job. Lächeln aber nicht lachen. Gedeckte Farben, nichts allzu auffälliges, aber dann doch, wir sollen ja aus der Menge stechen. Geburtsdatum lieber nur anführen, wenn wir nach Christus geboren wurden und ja nichts von Kindern sagen, sonst ist der Job ohnehin weg. Die Liste der Ratschläge ist lang und die Liste derer die es immer noch besser wissen, wie ein Lebenslauf wirklich aussehen muss ist noch länger.

Aber meine Gedanken laufen wieder zu schnell. Alles startet ja wie immer am Anfang. Im Businessbereich, jetzt mal abgesehen von der vorher lobgepriesenen Homepage samt abgedrucktem „catchy“ Text. Zuerst Daten wir ja, im Firmenkontext heißt das Vorstellungsgespräch. Persönlich find ich es ja lustig, wir finden auf der einen Seite Bewerber_innen, die wahlweise durch Dr.Google oder persönlichkeitsfördernde – Entschuldigung, ich meinte wirtschaftsfördernde (also die Wirtschaft fördernde) Schulungen – die Do´s und Don´t der 100 meist gestellten Fragen im Vorstellungsgespräch erlernen.

Und auf der anderen Seite haben wir – wie beim Speeddaten – HR Verantwortliche, Vorgesetzte oder Unternehmer_innen, die zumeist allesamt gemeinsam eines in Szene setzten, sich selbst. Da gibt’s jene, die gar nichts von „IHREN“ Bewerber_innen wissen wollen, weil in den 3 Minuten bevor die Klingel läutet zum Partner_innenwechsel, erzählen SIE, sie reden und reden und reden, wie gesagt, vorzugsweise über sich und wie gut sie das alles machen. Wie laaaange sie bereits im Betrieb sind und wie laaaange in diesem Bereich und wie laaaange ihr gradioser Titel im Betrieb ist. Alles ne total wichtige Referenz. Für wen? Hab ich schon gesagt, für sie selbst.

Und dann gibt’s jene, die so etwas wie ein „letzte Sekunde Ticket“ zum Speeddating-Event erhalten haben, schnell mal vorbeischauen, aber so gar keinen Plan haben, wie das jetzt alles so läuft. Kurz nach dem Händeschütteln (jetzt ja nur mehr vom weiten zuwinken), sehen sie am Besprechungstisch, oh Schreck, einen Lebenslauf und dann die Erleuchtung, uff, ein Vorstellungsgespräch. Was also tun? Richtig! Noch schnell den Satz rauswerfen: „Erzählen sie mal was von sich!“, innerlich durchatmen, uff, gerade noch gut gegangen. Persönlich mag ich die Situation sehr gerne. Denn, klein Claudia´s Antwort mit großen liebevollen Guckiaugen: „Und was genau interessiert sie aus meinem Leben?“ Die zumeist wahnsinnige eloquente Antwort, die mir entgegenschallt: „Ähmm, na fangen sie einfach mal irgendwo an!“ Was ich denke, ist in meinem Fall unnötig zu erwähnen, in jedem Fall ist es ein Fehler, denn ich hab sie bereit, meine Geschichte wie ich morgens zum Bäcker gehe und Semmeln hole. Naja, ist ja aus meinem Leben.

Und dann wäre da noch Speed-Dating Partner_in Nummer 3. Die, die, es besser wissen. Die, die es ganz gut machen wollen. Die, die wissen wonach man wirklich fragt, was Professionalität bedeutet. Die, die mit 10 Zetteln vor einem sitzen, voll mit Fragen, zu denen sie selbst keine Antworten haben. Dort steht dann: „grün oder rot“? Jap! Meine persönlichen Highlights möchte ich auch hier gerne zum Besten bringen: „Sind Sie flexibel?“ Super Frage, wo denn jetzt genau? Zeitlich flexibel? Örtlich flexibel? Arbeitsbereich? Team? Auch fein: „Wo sehen Sie sich in 10 Jahren?“ Geile Frage! Was ist denn die richtige Antwort? „Hör mal, ich weiß nicht mal was morgen ist und ich soll sagen, wo ich mich in 10 Jahren sehe?? Seriously? Weißt Du das?“ Weiter im Text: „Sind Sie teamfähig?“ Klar, ich weiß um all die Schmäs und Tricks hinter jeder Frage, aber mal ehrlich, abgesehen von der Tatsache, dass ich mal erst gerne wissen würde, welches Team das überhaupt ist, für das ich mich „fähig“ erklären soll, nein! Nein, ich bin nicht teamfähig, genauer gesagt, ich mag keine Teams, würg! Aber wir tönen: „Ja“! Ich sag ja, wie beim Speeddaten.

Und weil ich nicht unfair sein möchte, hier auch noch einige meiner Fav´s aus der Kiste der Bewerber_innen-Highlights: „Ich bin pünktlich!“ Alles, was ich mir an der Stelle denke: „Fuck!“ Genau, wenn ich sage, dass ich pünktlich bin, bin ich es zumeist ….nicht! Warum lege ich sonst meinen Fokus darauf? Ich habe dann immer gerne nachgefragt: „Oh, super, an wie vielen Tagen der Woche?“ Egal, auch fein sind diese vorher künstlich studierten Hobbies, zumeist eher aktiv und beliebter Weise in der Gruppe. Ich habe noch nie gelesen: „faul zu Hause herumhocken“, oder „stundenlang vorm Fernseher“, was ehrlicher wäre, will aber niemand hören. So sitzt man sich also gegenüber und scheint beiderseits mehr zu sein, als man ist. Man will sich ja gut verkaufen, wobei keiner die Wahrheit sagt oder hören möchte. Eigentlich sollte es nicht Vorstellungsgespräch heißen, sondern „Vorspielungsgespräch“, wäre treffender.

Aber wenn wir mal kurz ehrlich sind, so wollen wir bis zu einem gewissen Grad belogen werden. Wir wollen hören, was das für ein atemberaubendes Unternehmen ist und wir wollen sagen, wie unfassbar fleißig wir als Mitarbeiter_in sind. Denn, wer unterschreibt einen Arbeitsvertrag, wenn wir schon im Vorstellungsgespräch offen hören würden: „Ach, sie wünschen sich Dankbarkeit, ne, also da sind sie bei uns gänzlich falsch!“ oder „Wert hat für uns nur das was sie leisten, also am Punkt gebracht, was sie uns an Geld bringen, alles andere ist uns total egal, also noch deutlicher, sie sind nur so lange von Wert, so lange sie uns Geld bringen!“ „Gehaltserhöhung?, nein wirklich nicht, das möchten wir uns nicht leisten. Lieber kaufe ich mir ein neues Haus!“ Oder „arbeiten werde ich maximal die ersten 4 Monate, ab dann bin ich vorwiegend im Krankenstand“. Wir unterschreiben den Vertrag, ähnlich wie im Film, ohne so recht zu wissen, was uns erwartet. Und das dicke Ende kommt oder die Spannung wartet bereits um die Kurve. Dann geht die Türe auf zu einem Zimmer mit nur einem Schlüssel und es gibt es erstmals ordentlich was auf den Po. Macher mags, mancher nicht so. Was soll ich sagen. Und wie im Film, war das nur das Prequel, also die Vorgeschichte …