Ganz oft, wenn es um Wünsche geht, die wir erträumen, fließt sofort einher der Gedanke der Manifestation. Wobei, je nachdem, welcher Ansatz, welcher „Lehrmeister“, welche Region und welcher Zugang, geht es wahlweise um Wünsche, Visionen, Ideen und/oder Ziele. Worin sie sich gleichen, ist, diese zu visualisieren und damit ins Leben, hoffentlich in die Gegenwart oder zumindest in die nahe Zukunft zu ziehen. Was das „Gezogene“ sein soll, obliegt unserem Kopfsalat: Geld (sogar wie viel Geld), Jobs, die (eine oder eine weitere) Liebe, Haus, Garten, nette Nachbarn, schlank sein, whatever. Wichtig scheint ausschließlich die Form der Visualisierung, also so genau wie irgend möglich, sich die Dinge vorzustellen. Andere meinen, es geht nicht allein um das bunte Kopfkino, sondern auch um das gedankliche „Vorgaukeln“. Also ich soll so tun, als wäre ich schon reich (zum Beispiel).
Schwierig, schwierig. Nicht, dass gedanklich einen „raushauen“. Aber ich denke dabei immer an Peter Pan. Die Szene, wo sie am leeren Tisch sitzen, und Peter Pan tut so, als ob es ein reichlich eingedecktes Essen geben würde. Er schmatzt und jauchz, während die anderen Kinder sich wundern. Gut, die Szene wurde sichtlich rausgeschnitten, aber ich bin mir sicher, einige dachten: „Fuck, wo bin ich da gelandet“.
Der andere lustige Beigeschmack ist dieser Gedanke des „Anziehens“. Ich soll also in mein Leben ziehen, aber nicht ziehen. Oder so ziehen, dass der oder das andere sich nicht gezogen fühlt. Denn Butter auf die Fische: Wer will schon in ne Richtung gezogen werden, in die man selbst nicht will? Die Lösung besagt: Verhalte dich so, dass das Gewünschte von sich aus kommen will. Kurzum: du selbst so attraktiv bist, dass der Wunsch zu dir kommt. Ich bleibe jetzt vollkommen absichtlich bei obigem Beispiel. Also, ich habe Hunger. Ich visualisiere mir das tollste Essen, so ne Art „all-in Buffet“, welches jeden Tag, zu jeder Zeit reich gefüllt ist. Und ich stelle mir vor, wie ich mir das in die Venen drücke, wie es riecht, wie es schmeckt und wie zufrieden ich dann bin. Natürlich mit vollem Bauch.
Und weil ich richtig krass hungrig bin, stelle ich mir das immer wieder und wieder vor. Ich bin jetzt mal ganz und gar Klugscheißer und denke mir: Gut geht’s mir, dann denke ich nicht mehr. Mit leerem Magen und dieser absoluten Lebensnot immer an Essen zu denken, ob das so Spaß macht. Jetzt kommt aber dazu, dass ich dann nicht „ziehen“ soll, sondern in Frieden loslassen soll. Hey, was jetzt, ziehen oder loslassen? Bin ich beim Drachenfliegen? Ne, ne, ne, das geht nicht gut. Ich bin verwirrt. Beides fühlt sich jetzt nicht so geil an für mich und der Teller ist auch noch leeeeerrrr. Wir sind aber noch nicht am Ende, zwar bald verhungert, aber da kommt die nächste Lehre (und nicht Leere), um die Ecke auf einem Riesenschild auf dem „Dankbarkeit“ steht. Im Kleidruck steht: Egal, ob du das Essen (also deine Manifestation) schon hast (in der Realität, in der Gegenwart), und auch egal, ob sie schon so aussieht wie in deiner Visualisierung, sei dankbar. Ich sehe dann immer diese eine kleine, grüne Erbse am Teller. Gerahmt von einer riesigen Platte. Ganz hilflos schauen wir beide uns an. Sie, weil sie so alleine ist, und ich, weil ich mich leise frage: Welche Zahnlücke wird heute satt?
Aber der absolute Lebensburner kommt noch: Da bemühe ich mich Monate, Wochen und Tage, mir immer dieses Buffet vorzustellen, weil ich mir das sooo sehr wünsche und der Meinung bin, genauso müsste das aussehen, genauso und nicht anders wünsche ich mir das. Und dann kommt raus, eigentlich bin ich ja Laktoseintolerant, oder irgendwas anderes. Ich wusste das bisher ja gar nicht, aber so ist es nun. Die Hälfte des reichlich Gedeckten kann ich gar nicht essen, tut mir nicht gut. Um jetzt diese Buffetgedanken zu verlassen: Wer sagt mir oder woher will ich wissen, dass das, was ich mir offensichtlich so sehr ersehne, das ist was wirklich das Beste ist? Tatsächlich das ist, was ich auf meinem Weg brauche?
Wir Menschen sind absolute Meister darin, uns alles Mögliche vorzustellen und uns selbst glaubhaft zu machen, dass wir dieses oder jenes unbedingt brauchen. Persönlich bin ich ja überhaupt kein Fan vom „Brauchen“. Das birgt grundsätzlich eine gewisse Abhängigkeit und etwas Ungesundes. Einer der Gründe, warum wir dies denken, ist sicherlich: Wir stellen uns immer vor, was wir kennen, was uns zum jetzigen Zeitpunkt bekannt ist. Aber was ist mit den Dingen, die wir gar nicht kommen sehen? Speisen, die wir noch gar nicht probiert haben, aber dann auf einmal feststellen: „Wow, das schmeckt aber gut, hätte ich nicht gedacht“. Wir sind gedanklich so fokussiert und damit komplett eindimensional und mit Scheuklappen bewaffnet, dass wir einen der wichtigsten Dinge im Leben gar nicht einkalkulieren: Dem Überraschungsmoment. Dem Zufall. Dem Glück. However. Im Englischen gibt es das tolle Wort „serendipity“. Etwas oder jemanden, den ich Null am Schirm habe und das oder der wie in Blitz in mein Leben einschlägt. Mich aus dem quasi Nichts überrascht. Auf ne gute Weise.
Und dann sitze ich da mit all den Visionboards, den km-langen Wunschlisten und Manifestations-„Ritualen“ und zwei lachen sich auf jeden Fall krumm. Das Leben und moi. Ich glaube fest daran, dass du dir vorstellen kannst, was du willst, wenn es nicht zu dir gehört, wenn es nicht „Deins“ ist, wenn es nicht sein soll. Nöp, no, ne, absolutes Nein, dann wird es auch nicht sein. Und andersrum: Wenn es zu dir gehört, wenn es „Deins“ ist, dann kannst du laufen bis nach Alaska, dich im Keller verstecken und ta-ta, dich „antupfen“ und „Hallo“ sagen.