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colorful and bright

Es ist so ne schräge Sache, dass wir immer vor die Wahl gestellt werden. Und die Möglichkeiten scheinen unendlich. Bereits der anscheinend einfache Wunsch nach einem Kaffee, bringt zahllose Entscheidungen mit sich. Als gut geschulter Kunde, bin ich schon auf die Fragen eingestellt und bestelle gleich fachlich korrekt beim Barista meiner Wahl: „Medium sized iced vanilla Latte, vollfette Milch, vollfettes Schlagobers, zum hier trinken und mein Name ist Claudia!“ Bäm! Richtig gemacht. Soweit, so einfach. Aber oftmals scheinen die Optionen geschmacklich nicht so zu passen. Zumindest mir nicht. Um beruflich erfolgreich und professionell zu wirken, jap, hab ich genau richtig formuliert, ich wiederhole: „zu wirken“, scheint es notwendig, seriösere Kleidung überzuwerfen. In meinem Fall, also als Frau würde das dann wohl ein Kleid oder ein Rock bedeuten in gedämpften Tönen, knielang (auf jeden Fall). Hoodie und Boyfriends Jeans, scheiden aus. Letztere Kleidungswahl wird Großteils nur akzeptiert, wenn man Mark Zuckerberg heißt, oder über derartige spezielle Qualifikationen verfügt, die unabdingbar sind, gebraucht werden, dann sieht man gnädiger weise auch über Shirts hinweg, die vor 15 Jahren auf Mallorca im Sauf-Urlaub gekauft wurden. In anderen Worten herrscht solange Konformität, bis du es dir leisten kannst ungewöhnlich auszusehen. Ich werde also vor die berühmt-berüchtigte Wahl gestellt, die lautet „Entweder-oder“. Als ob es dann gut wäre schmunzel 🙂

Zumeist haben Menschen ein gewissen Bild, wie jemand in welcher Branche, in welcher Position, also generell auszusehen, sich zu benehmen und zu handeln hat. Wenn ich beim Notar erscheine, erwarte ich eher weniger jemand mit knallbunten Haaren, kurzer Hose, stark tätowiert, der mir entgegenschallt mit den Worten: „Hey Bro, na alles klar?“ Genauso groß wäre die Überraschung, morgen in die Eisdiele ums Eck zu gehen und von einer freundlichen Dame im Armani Kleid bedient zu werden. Wir scheinen immer eine konkrete Vorstellung davon zu haben, wie etwas auszusehen hat, damit wir uns wohlfühlen, sicher fühlen. Wohl gemerkt nicht mit uns selbst, sondern mit dem Anderen. Das bedeutet zwangsläufig sich auf eine gewisse Art und Weise auszudrücken, zu verständigen, zu benehmen, zu funktionieren. Die Frage, die sich nun jeder stellen soll/darf ist, will ich das? Bin ich bereit dazu? Nun, für einige ist das wahrscheinlich nicht mal ne Überlegung wert, weil es für sie ohnehin klar ist, zu den eigenen Wertvorstellungen zählt, oder nie auf die Idee kommen diese Dinge zu hinterfragen. Andere sehen das tägliche Anlegen der Berufskleidung wie eine Theatervorstellung. Ich ziehe mich um, für meine Rolle, meinen großen Auftritt, meinen Part im Stück des Lebens. Aber für alle anderen? Wofür entscheidet ihr euch? Entweder, oder? Und dann komme ich um die Ecke. Zurück zum Beispiel: Ich fände es großartig, wenn ich einen Notar hätte, der so ist, so lebt. Ich liebe es! Persönlich fühle ich mich nicht wohler, von jemandem im Maßanzug beraten zu werden. Was für mich zählt ist der Mensch, der in der Kleidung und wie genau dieser ist, so als Mensch nämlich? Okay, gepflegt wäre schön, aber das auch nur, weil ich eine sehr empfindliche Nase habe.

Ich habe eine Freundin, für deren Freund es wichtig ist (sorry, für sie auch), dass sie Kleider trägt, weil sie weiblich(er) wirken und sie das beide mögen. Alles gut und fein, wenn es für beide passt. Ich stelle mir dann immer gerne vor, wie ich meinem Rüschenkleidchen mit High-Heels, guter Bemalung mich auf mache in den Stall. Bin mal gespannt, was so die Herde sagt ;-). Gott sei Dank, ist denen das pipi-wurst, was ja auch super schön ist. Aber auch egal, wenn ich es feiern würde, würde ich es machen. Ja, ich weiß natürlich, der Vergleich hinkt. Allerdings denke ich, dass die Reaktionen bei mir im Dorf auch nicht viel anders wären, als im Stall. Die meiste Zeit, rieche ich ohnehin nach Pferdepupsi, hab an allen möglichen und unmöglichen Stellen Tierhaare hängen, vielfach Gatsch, Stroh, Heu, was auch immer. Und so gehe ich dann fröhlich einkaufen, zur Bank, je nachdem. Ich liebe es. Ich mag diese Freiheit einfach.

Ich war zuletzt wieder mal in Wien mit einem lieben Freund unterwegs. Wir haben dieses Ritual, dass wir alle paar Wochen irgendwo nett frühstücken gehen und uns ausplaudern. Und wir waren in diesem Wiener Kaffee, in dem die Kellner super schöne und ebenso sichtlich teure Schuhe trugen, nicht minder hochpreisige Hosen und natürlich das Hemd. Ich glaube ich habe gefühlte 50 mal wiederholt, dass ich das gar nicht mehr gewöhnt bin, also sozusagen entwöhnt bin. Wie gesagt, ich registriere es schon, aber wichtig ist es mir nicht. Aber das sind wieder so Erwartungen: Wenn ich für eine Hauptspeise rund EUR 30,00 zahle, dann bitte muss das Servicepersonal auch adäquat wirken.

Persönlich mag ich kein entweder-oder und ich mag schon gar kein MUSS. Und so habe ich es mir für mich, in meinem Leben erwählt, das anzuziehen, worauf ich Lust habe, wann ich Lust habe. Und ehrlich, wer mich jetzt nicht auch für kompetent oder hübsch hält im Hoodie, dann lass es, kein Verlust! Übrigens nicht nur bei meiner Kleidungswahl. Ich muss mich nicht entscheiden, ob ich lieber erfolgreich sein möchte, oder nett. Hey, das geht beides. Ich liebe die Berge und den Strand. Häuser sind super, Wohnungen auch, kommt immer darauf an welche. Ein fixer Bestandteil sind meine Sneakers, ich mag aber auch meine Riemchenschuhe. Nein, ich muss mich nicht entscheiden, ob ich lieber Eiscreme oder Torte als Dessert mag, bitte gerne beides! Und ich darf das, ich muss nicht an einem Salatblatt 3 Stunden herum „mümmeln“, aber wenn ich das mag, na dann mach. Dieses Schubladendenken und diese für mich begrenzte Vorstellung ist für mich nichts! Es ist die Vielfalt, es in die Mehr-Farbigkeit und es ist alles möglich. Alles darf sein, nichts muss sein. Das Leben da draußen ist ja auch bunt und kein s/w Film, außer du machst einen draus. Und wir haben mehr als 2 Emotionen, was auch fein ist. Alles, wie ich immer sage, so lange es niemanden verletzt. Du entscheidest und sonst niemand. Du liebst Anzüge, go for it. Du kombinierst sie mit Sneakers, fein. Du willst in einem Baumhaus wohnen, do it. Mach was immer DU MAGST und was sich für DICH RICHTIG anfühlt, denn genau dann passt es. Und gleich um vorzubauen – here is the catch: Andere Menschen werden so wie so (be-)urteilen, egal was du anhast, egal wie du aussiehst, egal was du sagst. Fakt. Also dann doch lieber so leben, dass ich Spaß habe, oder? Ich hol mir jetzt meinen Hoodie …. 😉