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by all means

Wie glaube ich mittlerweile alle wissen, bin ich ein großer Fan der Kommunikation, oder vielleicht sollte ich sagen, der Sprache ganz allgemein. Ich finde es unfassbar lustig und spannend, was wir Menschen so über den Tag verteilt an verbalen Fertigkeiten beweisen. Einer der feinsten Spielplätze sind so allgemeine, schnell mal rausgeschossene Floskeln, über die sich sichtlich niemand so richtig bewusst ist, was sie eigentlich bedeuten, oder was man damit dem jeweils Anderen, also unserem Gesprächspartner sagt. Bevor ich so richtig loslege, hier gleich mal ein adäquates Beispiel. Kennt ihr den Spruch: „Bis Du heiratest, ist alles wieder gut!“ Eh klar, das heißt also, erst dann lösen sich all meine Probleme. Nun und wenn ich nie vor den kirchlichen Altar trete, bin ich dann im Arsch? Oder lebe ich zwar, aber ich hab nen Sack voller Probleme mit bei? Wie ist das dann so? Ist das irgend so ein christlich angehauchter Spruch, so in Richtung, dann bin ich würdig oder so? Oder kommt das aus einer sehr patriarchischen Zeit, zu der die Frau sichtlich nicht alleine in der Lage war, die Probleme zu lösen? Hören Männer diesen Spruch auch, oder ist das so ein Frauenritualdingsbums?

So weiter im Text. Wie wäre zum Beispiel der: „Das Leben ist hart und ungerecht!“ Oh, schon mal Danke für diese äußerst motivierende und langfristig überhaupt nicht nützliche Aussage. Und inwieweit soll mir das helfen? Ist sicher mental der Hit, wenn ich mich kontinuierlich auf das Negative fixiere? Das hilft garantiert ….nicht!

Einer meiner Favs ist auch: „Im Meer schwimmen viele Fische!“ Okay, also erstmals das Meer ist verschmutzt, weil wir tonnenweise Abfall „reinkübeln“, also grundsätzlich mal Danke, aber Nein, Danke. Und dann, die Fische sterben. Also inwieweit hilft mir das jetzt bei der Partnersuche? Ähnlich, ist aber auch nicht hilfreich bei der Partnersuche: „Andere Mütter, haben auch schöne Söhne/Töchter!“ Ich sags mal direkt raus, wenn dieser Spruch nicht gepaart ist mit einer Kontaktliste inkl. Adressmaterial, dann bringt es gar nichts. Woher soll ich denn bitte wissen, wie die Söhne ausschauen? Und als ob Aussehen das einzig wichtige wäre? Ergänzend möchte ich sagen, dass viele Mamas der Söhne die für mich in Frage kommen bereits das zeitliche gesegnet haben, wodurch die Recherearbeit auch nicht einfacher werden würde. Also auch Null hilfreich.

Oder: „Du lebst nur einmal …!“ Auch hier vorweg Danke für diese bahnbrechende Neuigkeit und ehrlich gesagt, yeah, Danke. Auf einen neuerlichen Durchgang hätte ich ohnehin keinen echten Bock mehr. Daran gereiht … spannend, so im Jahrzehnt von Covid & Co: „Koste das Leben voll aus!“ Na-ja, lang wird das Leben dann aber nicht dauern, war jetzt aber auch nicht Inhalt der Unsinnigkeit, oder?

Besonders amüsant auch: „Das Leben ist kein Ponyhof!“ Ah geh. Und auch hier Danke. Sonst würde das bedeuten, dass ich jeden Tag kiloweise Pferdemist schaufeln dürfte. Aber abgesehen davon, jeder der einen Ponyhof hat, würde bestätigen, dass dies täglich echt harte körperliche Arbeit ist und by the way, ich liebe es, aber einfach ist es echt nicht. Was mich zum nächsten Weltmeinsterspruch bringt … „Scheiße bringt Glück!“ Ne, tuts nicht. Ich hab ein Pferd und einen Hund, was ich schon Scheiße weggemacht habe, rein gestiegen bin, geschaufelt gewischt, teils klebt sie sogar an mir, wenn ich aus dem Stall komme und nöp, ich wiederhole nöp.

Wie wäre der: „work hard, play hard!“ Klingt fein, aber echt, wer von denen die diesen Mist erzählen, war dann bis morgens um 6h feiern und ging dann zur Arbeit? Hey, da liegst du bestenfalls im Koma, vor allem in meinem Alter, dann ist nix mit arbeiten, dann liege ich im Sauerstoffzelt oder in der Ambulanz oder beides.

Papa wird schon richten!“ – nun ich weiß ja nicht welcher Papa, aber zu meinem hab ich seit Jahrzehnten keinen Kontakt. Oder ist das ein Papa, der für alle einspringt, wenn es nötig sein sollte, so wie der Weihnachtsmann? Oder ist mit Papa eher „Sugar-Daddy“ gemeint? Ich bin unsicher.

Oder gerne auch wieder ein Spruch, der sich schon länger hält: „Wer früher stirbt, ist länger tot!“ Wieder so eine bahnbrechende Weisheit. Erstmal spreche ich selten mit Menschen die gestorben sind, um nicht zu sagen gar nicht, also weiß ich nicht, ob der Zustand es Tod -seins länger dauert? Kommt jetzt auch darauf an, welchem Glauben ich fröne. Vielleicht werde ich ja kurze Zeit später wiedergeboren, vielleicht verliere ich dann mein Gedächtnis und weiß weder das ich gelebt habe, noch das ich tot bin. Aber auch hier, inwieweit hilft´s jetzt gerade hier und jetzt???

Auch aus der Kiste vom Dachboden: „Früher war alles besser!“ Sicher! Welches Früher jetzt genau? Hexenverbrennungen? Hohe Sterberate? Kriege? Unhygienische Zustände? Pest? Verfolgungen? Soll ich noch weiter machen?

Gut, ich denke ihr wisst wohin ich will. Klar, nichts davon ist böse gemeint, es ist halt so dahin gesagt, soll wahrscheinlich irgendwie tröstend sein, ohne die unangenehme Begleiterscheinung eine emotionale Verpflichten einzugehen, sich näher mit einem Thema meines Gegenübers befassen zu müssen (müssen ist hier gleichzusetzen mit wollen). Eine Art gefühlsmäßige Überforderung, bei der das Gehirn bevor ein interner Schaden passiert, ein Spruch rauslässt. Huch, gerade noch entkommen. Also so stelle ich mir das vor.