Ich finde die Frage ganz schön spannend? Habt ihr schon mal drüber nachgedacht? Wer bist du oder wer seid ihr, wenn niemand zuschaut? Wenn euch niemand beobachtet? Ich denke, dass wir alle sehr darauf programmiert wurden oder sind, in dieser Welt mehr oder weniger gut mit anderen zu funktionieren? Wie wir uns in bestimmten Situationen zu verhalten haben, was wir zu sagen und zu denken haben? Und diese Rollen füllen wir ebenso gut aus, oder eben auch nicht. Klar, gibt es immer wieder Menschen, die bereits sehr früh auf alles pfeifen, sich von den Konformitäten loseisen und sozusagen „ihr eigenes Ding“ machen? Denen egal ist, was andere denken, die einfach so leben, wie sie das persönlich für richtig erachten. Die Frage ist, wie lange das gut funktioniert in unserer Gesellschaft? Und wie lange man das so „durchziehen“ möchte oder kann? Aber mal davon abgesehen, wer seid ihr nun wirklich, wirklich, ohne Masken, ohne Filter, ohne „Lebenslaufaufhübschung“, ohne gut zurecht gelegten Verkaufsargumenten? Wer ist unter dem Business-Anzug? Wer unter der Schminke? Wer, wenn wir das alles ablegen und einfach so sind, wie wir sind?
Wir zeigen diese Seiten an uns nicht gerne, weil es uns verletzlich macht, angreifbar für andere. Wir verstecken sie so gut und so lange es geht. Vielleicht sind wir auch nicht mal nett, wenn keiner zuschaut? Nicht mal im Ansatz freundlich, respektvoll oder sozialpolitisch korrekt? Eventuell weit grantiger und möglicherweise auch lieber die unbeliebte Omega-Position im wöchentlichen Meeting? Gehen wir weiter, wenn jemand um Hilfe schreit? Schauen wir weg, wenn eine Ungerechtigkeit passiert? Betrügen wir? Stehlen wir? Schlagen wir unsere Kinder oder Tiere? Trinken wir regelmäßig zu viel und reden uns ein, dass das schon passt? Liegen im Bett und weinen, weil wir uns überfordert fühlen von dem vorherrschenden Druck? Gehen in den Wald, um zu versuchen allen Schmerz raus zuschreien? Tun so, als hätten wir ein wichtiges Hobby im Keller, um einfach mal bitterlich zu weinen? Wir leben diese Seiten oftmals nicht vor anderen aus, sprechen nicht darüber. Wir wollen nicht, dass jemand von unseren „Schwächen“ oder schwachen Momenten weiß, wir wollen stark wirken, unabhängig. Wir zeigen uns nicht ganz, weil wir befürchten, dass andere uns meiden, uns ablehnen, uns verurteilen oder auch den Kontakt zu uns gänzlich abbrechen. Im Wesentlichen und kurz gesagt, wir haben Angst. Hier ist es, wieder mal das große Wort, dass uns blockiert und wie ein vielbefahrener Grenzübergang im Weg steht. Sagt mal ehrlich, wie viele Menschen aus eurem nähren Umfeld kennen euch wirklich? So wie ihr seid? Sonne wie Schatten? Geschminkt und ungeschminkt? Machen uns letztlich nicht beide Seiten der Medaille, zu dem der wir sind? Zeigt nicht genau das, wer wir wert sind? Ja klar, eine Seite ist oft angenehmer, als die andere, aber geht’s wirklich immer darum?
Und wer sind diese „Anderen“ überhaupt, denen wir so einen immensen Wert in unserem Leben zusprechen? Wer sind sie selbst „wert“, wenn sie uns nicht ganz genauso mögen, wie wir sind? Also sozusagen all-inclusive, nicht nur an unseren sonnigen, brillantesten Momenten, an den Tagen, an denen uns die Sonne förmlich aus dem Po springt? Wenn wir super eloquent sind? Total bezaubernd und charmant? Rücksichtsvoll und liebevoll? Sondern an den Tagen, an denen gar nichts zu funktionieren scheint, wir wütend schnauben, wir hilflos sind? Und wäre es so schlimm, wenn wir einige Menschen „verlieren“ würden? Die andere Vorstellungen haben, andere Werte oder einfach sich anders entwickeln? Michelle Obama, ich bin übrigens ein großer Fan von ihr, hat in einem Interview mal gesagt, als sie gefragt wurde, ob sie mit allen Menschen noch befreundet war, nachdem ihr Mann Präsident wurde und sie antwortete. „Nein, ihnen ging die Luft aus […] haben es nicht geschafft!“ Finde das ne mega Formulierung! Was wenn wir also den Fokus umdrehen und nicht denken und fühlen, dass die „Anderen“ sich abwenden könnten? Was wenn wir den Spieß wenden und uns beginnen zu fragen, ob genau dieser Mensch in unser Leben passt? Welches Ergebnis würde dann unter dem Strich stehen? Muss man älter werden, um zu verstehen, dass es nicht alle schaffen können in unserem Leben zu bleiben, oder hat dies keine Relevanz? Ist es die individuelle Entwicklung die zählt? Macht es uns zu mehr, wenn wir wie Sammler agieren und alle Menschen in unserem Leben behalten, ungeachtet der Tatsache, ob sie uns gut tun, ob sie uns kennen, ob wir mit ihnen verbunden sind? Sind wir dann mehr wert?
Wie immer, denke ich, dass dies jeder für sich bestimmen muss/darf. Ich habe heute eine ziemlich genaue Vorstellung von dem Menschen, der ich bin. Wer ich bin, wenn niemand hinschaut: Ich bin die, die nach regnerischen Tagen, Schnecken, die auf der Straße wandern, ins Grüne setzt, damit sie nicht vom nächstbesten zerdrückt werden. Und, ich wünsche ihnen regelmäßig einen schönen Tag. Ich bin die, die gefühlt tausendmal einkaufen geht und dennoch die Hälfte vergisst, weil ich es doof finde Einkaufslisten zu schreiben. Ich bin die, die meinen Tieren Kinderlieder vorsingt, weil es mich fröhlich macht. Ich bin aber auch die, die alleine viel ernster, nachdenklicher ist und manchmal bitterlich weint, weil die Menschen oft so garstig sind, dass ich keinen Platz in mir habe, das auszuhalten. Wenn ich in der Natur bin, bin ich die die sich hunderte Male bedankt, wie schön die Sonne ist, die Bäume und alles um uns herum. Ich bin die, die Regenbögen zum Jubeln bringen, weil ich einfach total der Meinung bin, dass am Ende des bunten Spektakels ein Goldtöpfchen wartet. Ich bin die, die böse, grimmige Schimpfwörter erfindet, wenn ich was garstig finde, um letztlich über die Buchstabenkonstruktionen zu lachen. Ich bin die, die immer an die ganz große und total besondere Liebe geglaubt hat, no doubt about it!!!! Ich bin die, die tage- und wochenlang aus den Nasenlöchern schnaubt, wenn was ungerecht ist. Die, die am liebsten Robin Hood wäre, nur ohne die Strumpfhosen, die find ich doof. Aber ich will immer und überall anderen helfen. Ich bin die, in der noch immer (zu) viele Wutzwergerln wohnen. Die, die sicherlich einiges nicht vergessen wird und eventuell auch nicht verzeihen. Die, die immer noch den großen Frieden in sich sucht, der kleine ist da. Ich bin die, die es ausspricht, die die es anspricht und die, die keinen einzigen Millimeter mehr weichen wird.