Durch unsere Erfahrungen, Erkenntnisse und Erlebnisse leben wir alle hinter einer Art Schleier oder sollte ich sagen Wand, Vorhang, was auch immer. Was meine ich damit? Nun ja, unsere sehr individuellen und persönlichen Erfahrungen mit anderen Menschen lassen uns die Dinge und Geschehnisse auf eine ganz bestimmte Weise wahrnehmen. Wir filtern unseren Input, also alles, was wir wahrnehmen, was wir hören, sehen usw. durch einzigartige Siebe und lassen nur durch, was wir gewohnt sind, was wir kennen, wie wir die Welt und die Menschen eben sehen.
Jede_r sieht sein ganz eigenes Stück der Welt. Vergleichen wir das mal mit einer Theatervorführung. Wir alle sitzen am selben Abend, zur selben Zeit und sehen ident dieselbe Vorführung. Dennoch verlassen wir den Saal und haben unterschiedliche Dinge wahrgenommen. Wir konzentrieren uns auf gewohntes und das, was uns nahe ist. Nicht anders ist es im Alltag.
Umgangssprachlich sagen wir auch: „Das habe ich nicht am „Schirm“.“ Wir meinen nichts anderes als genau das, wir sehen es nicht. Nicht weil wir schlecht sehen oder schlecht hören, sondern weil wir uns bei großen Datenmengen auf das Wesentliche fokussieren und der Einfachheit halber deshalb auf gewohntes und vertrautes. Für unser Gehirn ist das erstmal entspannter, doch ist es deshalb auch richtig? Mal abgesehen von der Frage, was überhaupt richtig ist?
Und jetzt der kritische Punkt. Wenn ich vermute, dass jemand mich belügt, bin ich dann selbst jemand, der gerne „flunkert“ oder bin ich jemand, der oftmals „angeflunktert“ wurde? Man sagt ja: „Wie der Schelm denkt, so ist er selbst!“ Laut diesem Sprichwort wäre ich dann der Ursprung, ergo ich lüge (gerne) mal, deshalb gehe ich davon aus, dass andere ebenso lügen. Doch stimmt das so? Ich glaube, dass es wie bei den meisten Dingen nicht so einfach ist, dass die Antwort vielschichtiger ist.
Nehmen wir mal jemanden, der als Arzt_Ärztin arbeitet. Ich denke, wir wären einer Meinung, wenn es darum geht, dass die Arbeit an sich einen großen Teil seines Lebens einnimmt. Ärzte werden darauf geschult, auf spezielle Dinge zu achten, zu hinterfragen, Ergebnisse zu betrachten und eine Diagnose zu erstellen. Und wenn sie mit diesem Wissen, dieser Sichtweise hinausgehen aus dem Spital oder aus der Praxis, geht dieser Blickwinkel ja mit ihnen mit. Sie werden also in der Supermarktschlange warten und vor lauter Langeweile andere Menschen beobachten, Dinge, Zeichen wahrnehmen, die mir komplett verschlossen sind.
Oder ein_e Sicherheitsbeauftragte_r, würde wahrscheinlich durch seinen oder ihren Arbeitsalltag sehr einfach erkennen, wo sich diverse Sicherheitslücken befinden, wird er oder sie deshalb zwangsläufig vorhaben, eine Bank auszurauben? Macht ihn diese Sichtweise zum Bankräuber oder Kriminellen? Vermutlich nicht zwangsläufig ;-).
Was ist aber jetzt mit den Menschen, die uns diverser Dinge bezichtigen, uns Dinge unterstellen, die wir nicht getan haben? Inwieweit hat das mit uns zu tun? Erkennen Lügner_innen andere Lügner_innen? Nun, der Ansatz ist vermutlich nicht gänzlich abzuwenden ;-). Doch entlarven Lügner_innen ehrliche Menschen? Mäh, ich denke ja eher nicht. Ich denke, dass da wieder unsere Filter greifen. Und spannender. Was ist jetzt, wenn ich auf der einen Seite des Schachbrettes eine_n eventuell auch noch manipulative_n Lügner_in habe und auf der anderen Seite einen Menschen, der selbst ehrlich ist, aber schon sehr oft belogen bzw. verletzt wurde? Wie geht wohl dieses „Spiel“ aus? Nun offensichtlich Schachmatt.