Dieses Jahr bin ich so mutig, großartig. Ich bin so dermaßen von mir begeistert, dass ich mich einfach loben muss. Und brav bin ich und diszipliniert und mutig. Ach, da war ich schon. Warum? Zum Jahreswechsel habe ich mir ja vorgenommen immer und immer wieder, meine Komfortzone zu erweitern. Ja, einfach mal raus aus dem bekannten Trott und Dinge machen, die man sonst eher nur betrunken und/oder unter Medikamenteneinfluß tun würde. Da ich ja bei den beiden letzten Dingen eher so gar keine Erfahrungen habe, bleibt mir nur, mich unter vollem Bewusstsein zu blamieren. Und zwar mächtig und wie gesagt, immer und immer wieder. Das soll ja bekanntlich den Charakter stärken oder aber dann in die Alkohol- oder Drogensucht stürzen. Ich probiere es einfach mal.
So habe ich also vor einigen Wochen einen Salsa Kurs gebucht und begonnen meine Hüften zu schwingen, oder so ähnlich. Ich dachte, dass das ganz gut passen müsste. Ich bin ja eine Tanzmaus, unfassbar rassig, habe viel Leidenschaft und ich kann mich biegen wie eine Brezel. Alles quasi ideale Eigenschaften. Gut andererseits lasse ich mich nicht sooo arg gerne von fremden Männern angreifen, mag große Nähe zu Fremden ebenso nicht so gerne und ich mag keine kontinuierlich stattfindenden Veranstaltungen, also alles Regelmäßige. Ah, ich vergaß zu erwähnen, dass ich mich absolut nicht gerne führen lasse, ich lasse es einfach nicht zu, da hört sich die Brezel gewissermaßen auf zu biegen und wird stock steif. So, wie ich gesagt habe, perfekte Voraussetzungen.
Als ich den Kurs begonnen habe, durfte ich mir gleich einen Mann aussuchen. Jackpot, dachte ich. Gut, es war jetzt nur zum tanzen, aber was soll´s. Ich darf also wählen. Problem an der Sache, die anderen alleinstehenden und verzweifelten Frauen, durften das auch. Da ging es zu, wie beim Sommerschlussverkauf. Frauen sind böse Wesen. Den, den ich wollte, den gab es dann nicht mehr. Hat mir so ein Luder vor der Nase weggeschnappt. Story of my life. Also durfte ich nochmals wählen. Kein Jackpot. Wie gesagt, wie beim SSS, die guten Teile sind dann schon weg u die Ladenhüter, naja. Sexy war also weg, was blieb war lustig. Passte dann auch ganz gut. Man(n) muss ja schließlich Humor bei mir haben, viel. Und so war es dann auch, nicht sehr sexy, aber lustig. Ich glaube er war Schauspieler, denn bei jeder neuen Figur, machte er ein ganz dramatisches Gesicht. Irgendwie wie Hamlet in seinen besten Zeiten. Es war klar, dass es ums überleben ging. Sein oder nicht sein und so. Aber wie gesagt, egal. Ich hatte meinen Tanzpartner gefunden.
Dachte ich. Und als ich mich bereits in Sicherheit wägte, kam der nicht mehr in den Kurs. Wehe, denen die böses behaupten und sagen, es wäre mein Verdienst gewesen. Ich war total nett und charmant und überaus reizend. Überaus. Und da nächste Stunde dann Männerwahl war, wurde ich, mit anderen – immer noch – alleinstehenden und verzweifelten Frauen, aufgestellt in einer Reihe und die Männer durften wählen. Ich dachte, nein bitte, nicht wie früher beim Volleyball. Und während ich noch bete und versuche eine gute Einigung zu finden mit dem Universum und meinem bösen Männerzwergentschutschu, stand er schon vor mir. Der Spanier.
Top gestylt, gut riechend und die besten Tanzschuhe die man so bekommen kann in Tricolor. Gut, Spanier sind jetzt auch nicht die größten, aber ich mag jetzt nicht unfair sein. Das war schon ein cooles Bild. Er, der wirklich rassige Bewegungsakrobat, der Lässige, der Geschmeidige und …. ich. Die gute Nachricht, er war meinem Charme gegenüber so aufgeschlossen, dass es ihn absolut kalt ließ. Ich sollte betonen, dass ich mich sehr bemühte ihn zu verzaubern, ich sprach wie ein Wasserfall, lächelte, scherzte wiederholt und …. Nichts. Ein großes und wiederholtes Nichts. So nach einer halben Stunde, fand ich dann raus warum. Der Spanier sprach kein Deutsch. Dass ich mich nicht führen lassen wollte, interessierte ihn herzlich wenig. Da steht so ein Spanier drüber. Bitte! Wer mit einem wilden Stier zu Recht kommt, der fürchtet sich auch nicht vor mir.
Ich habe aber auch meine Tanzqualitäten. Vor lauter stiller und ansteigender Verzweiflung, begann ich zu schwitzen wie ein Elch. Und während mir das Wasser schon säuberlich das Gesicht runter lief, als wäre ich gerade von einem Langstreckenlauf zurück gekommen und nicht erst bei den Basisschritten beim Salsa, lächelte er einfach weiter. Aber weil es ja meistens auch noch schlimmer kommt und ich vor lauter Schwitzen nicht mehr auf die Schritte achtete, stieg ich ihm auch noch mit geradezu atemberaubender Genauigkeit, permanent, aber im Takt, auf seine wunderschönen Tricolor Schuhe. Das kommentiere er wiederum mit einem netten lächeln.
Und während ich schwitzte und trampelte und mir wünschte, dass ich tot aus den schwitzigen Latschen kippe, griff er mir ans Kinn um mich zu erinnern, dass ich beim Tanzen doch mehr ihn anschauen solle, als seine Schuhe, die übrigens schon massive Fußspuren trugen, meine Fußspuren. Fast wie bei Dirty Dancing, oder? Nur das das „dirty“ in dem Fall für seine mittlerweile schmutzigen Schuhe stand. Traumhaft.
Nach insgesamt 90 unendlich langen Minuten wo er den Schwung in der Hüfte nicht verlor und meine Hüfte zunehmend nach einem Rollstuhl verlangte, schaute ich ihn an und sagte:“ Entschuldige mich bitte kurz, ich müsste mal kurz Hände waschen!“ Daraufhin er: „ Viel Glück!“ Nun ja, vielleicht sollte ich es künftig bei der Partnersuche nicht so sehr ausschlagen, Männer kennenzulernen, die mich … nicht verstehen. Wer weiß.